Angriff mit einem gläsernen Schwert

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Angriff mit einem gläsernen Schwert

GERICHT — 64-jähriger Verurteilter muss sich für Angriff auf Bedienstete in JVA Butzbach verantworten

BUTZBACH (jwn). Ist ein 64-jähriger Häftling aus der Butzbacher Justizvollzugsanstalt ein äußerst gefährlicher Schwerverbrecher oder möglicherweise nur ein stark verwirrter Systemkritiker? Das herauszufinden ist momentan Aufgabe des Gießener Landgerichts. 

Am ersten Verhandlungstag gegen den 64-jährigen Sachsen wegen versuchten Mordes ähnelt das Gießener Landgericht eher der Kulisse eines knallharten Psycho-Krimis, denn einem hessischen Gerichtssaal. Eine Viertelstunde vor Verhandlungsbeginn wurde der Angeklagte an Händen und Füßen gefesselt, sein Gesicht mit einer Haube bedeckt von etwa zehn Polizeibeamten mit Gesichtsschutz in den Gerichtssaal geführt. Dort wurde dem knapp 1,70 Meter großen Mann zwar die Haube abgenommen – und zum Vorschein kam ein Kopf, der dem von Karl Marx von der Haar- und Barttracht sehr ähnlich sieht, doch die Fesseln an den Händen und Füßen blieben angelegt. Ein recht ungewöhnlicher Vorgang, denn üblicherweise werden den Gefangenen während ihrer Gerichtsverhandlungen zumindest die Handschellen abgenommen. Auch die permanente Anwesenheit von mindestens drei Polizeibeamten in der unmittelbaren Nähe des Angeklagten deutete darauf hin, dass an diesem Tag ein offensichtlich „schweres Kaliber“ vor Gericht stand. 

Angeklagt wird der wegen Gewaltverbrechen schon zweifach zu lebenslanger Haft Verurteilte, weil er im vergangenen Jahr erneut Mordversuche an Justizvollzugsbeamten in den Gefängnissen Butzbach und Schwalmstadt unternommen haben soll. Schon in Dresden hatte er während seiner Haft im Gefängnis einen Bediensteten überfallen und versucht, ihn zu töten. Er war daraufhin zu einer weiteren lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden und zunächst nach Bautzen und später dann in den Sicherheitstrakt der Butzbacher Haft-anstalt verlegt worden. 

Der Mann ist offensichtlich kein einfacher Charakter. Das zeigte schon der erste Verhandlungstag in Gießen. Er neigte zu langen Monologen, die von der Vorsitzenden Richterin Regina Enders-Kunze immer wieder unterbrochen wurden, weil sie so gar nichts mit den Vorwürfen gegen ihn zu tun haben. Nach seinen Schilderungen haben ihm die Haftbedingungen auch in Butzbach nicht zugesagt. „Das ist doch kein Sicherheitstrakt und erst recht keine dafür vorgesehene Verwahrung. Alles ist viel zu lax und unorganisiert“, schilderte er den Grund für sein Aufbegehren. Und seine Handlung sollte zeigen, dass er recht hat. Deshalb hatte er sich in mühsamer und wochenlanger Arbeit heimlich aus einer Fensterscheibe seines Zellenfensters und Schrauben aus der Werkbank von seinem Arbeitsplatz ein gläsernes, 60 Zentimeter langes Schwert und einen mit den Schrauben beschwerten Gürtel angefertigt. Dazu kamen noch mehrere kleine Stichwaffen, ebenfalls aus der Fensterscheibe seiner Zelle. 

Am 8. Juni vergangenen Jahres, zwei Vollzugsbedienstete wollten ihn gerade für einen Arztbesuch aus seiner Zelle abholen, passierte es. Der Gefangene überschüttete den zuerst eintretenden Beamten mit einem Glas Fäkalien und wollte sich sodann mit seinem Glasschwert auf ihn stürzen, um ihn mit zwei, drei kurzen Hieben die Halsschlagader zu durchtrennen. Doch dazu kam es nicht, weil der zweite Beamte die Gefängnistür sofort wieder zuschlug und dabei die gläserne Waffe des Angreifers zerstörte. Dieser wurde anschließend überwältigt und nach Schwalmstadt überführt.

Dort wurde die Bewachung verschärft. In einer videoüberwachten Einzelzelle, in der ihm alle Kleidungstücke und sogar das Bettzeug weggenommen wurden, fertigte er wiederum aus Glasscherben Stichwaffen an. Weil er nach einem Monat in eine andere Zelle verlegt werden sollte, wehrte er sich erneut gegen diese Maßnahme. Stattdessen verlangte er nach einem Richter oder Rechtsanwalt. Auch in diesem Fall untermauerte er seinen Widerstand mit den selbst angefertigten Stichwaffen: „Ich wollte nie einen töten, sondern nur zeigen, dass das ganze Sicherheitssystem hier nichts taugt“, behauptete er vor Gericht. Und auf den Vorhalt der Richterin, dass er doch in seinen polizeilichen Vernehmungen eindeutig eingeräumt habe, die Beamten töten oder zumindest verletzten zu wollen, erwiderte er im breiten sächsischen Dialekt: „Das habe ich nur gesagt, weil die Polizisten das so hören und niederschreiben wollten.“ 

Der Prozess wird am Dienstag, 28. August, um 9 Uhr fortgesetzt.   

Der Beitrag verfällt zur festgelegten VERFALLSZEIT am VERFALLSDATUM.

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