Ayleens Nachricht „Mach dir keine Sorgen“ kommt nicht mehr an

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Ayleens Nachricht „Mach dir keine Sorgen“ kommt nicht mehr an

Polizisten schildern in Prozessfortsetzung Bewegungsmuster des Täters aufgrund digitaler Spuren

Gießen (ga). Die Kriminalbeamten der Sonderkommission „Lacus“ haben im Fall Ayleen akribische und umfangreiche Arbeit geleistet, das wird am dritten Prozesstag vor der Gießener Schwurgerichtskammer am Landgericht erneut deutlich. Als der Angeklagte den beiden Ermittlungsbeamten im September gegenübersitzt, verfügen diese bereits über umfassende Details, die sie während der Vernehmung ihm und seinem Rechtsbeistand auch vorlegen. Nahezu minutengenau lässt sich das Verhalten und das Bewegungsmuster anhand einer Vielzahl von Datenspuren nachvollziehen. Im Laufe der Vernehmung wird der Verdächtige zugeben, dass er das Mädchen, mit dem er seit April stark sexuell orientiert chattete, erwürgt hat.
Die digitalen Spuren sind umfangreich. Die Beamten haben mehrere Karten erstellt, die das Bewegungsmuster des Täters am Tattag zum Teil minutengenau dokumentieren. Auch von Google gesicherte, in der Cloud hinterlegte Daten, werden von den Beamten zur Beweisführung herangezogen. Um 12.45 Uhr kommt der Waldsolmser in Gottenheim, Ayleens Wohnort, an. Er chattet mit ihr, fordert ein reales Treffen, verspricht ihr Geld für Nacktbilder.
Diese wie auch die anderen Nachrichten an das Mädchen, sind dokumentiert. Er bedrängt sie über Stunden, sie schreibt mehrmals, dass sie sich nicht treffen will. Um 16.47 Uhr droht er schließlich, den Chat ihrem Vater zu schicken. Das wirkt. Um 16.49 Uhr schreibt Ayleen „Ok, bin gleich da“. Um 17.07 Uhr versucht Ayleen noch an ihre Mutter zu schreiben, doch sie hat kein Internet, keine aktive Sim-Karte. Etwa eine Stunde später kann sie über WhatsApp kurze Nachrichten an ihre Mutter und ihren Bruder tippen. „Komme gleich heim“, schreibt sie an den Bruder. Etwa bis 20.30 Uhr hält sich der Täter mit Ayleen noch im Bereich Gottenheim auf, fährt mit ihr herum. Dann nimmt er mit dem Mädchen die Fahrt Richtung Mittelhessen auf.
Später versucht Ayleen wieder, ihre Mutter zu erreichen. Da sie kein Internet hat, werden die Nachrichten „Ich bin morgen früh wieder da“ und „Mach dir keine Sorgen“ nicht abgeschickt. Gegen halb ein Uhr nachts versiegt plötzlich der Datenstrom im Bereich Cleeberg bei Langgöns. Die Beamten stellen auch fest, dass Ayleens Handy zu diesem Zeitpunkt an Temperatur verliert. Denn auch den eigenen Temperaturverlauf speichert das Gerät.
Erst gegen 3.31 Uhr sendet wieder das Smartphone des Täters. Er sucht den Begriff „See“ über Google Maps. Um 4 Uhr morgens bewegt er sich im Bereich des Teufelssees bei Echzell. Gegen 5 Uhr morgens tritt er die Heimreise an. Schon während der Heimfahrt sucht der jetzige Angeklagte die Adresse einer weiteren minderjährigen Chatpartnerin raus.
Auch über Ayleen forschen die Beamten. Sie kommt aus einfachen aber stabilen Verhältnissen. Von den Eltern gilt der Vater als streng, Gewalt gibt es aber nicht. Die finanzielle Situation ist angespannt, der Vater ist gesundheitlich angeschlagen. Ayleen wird als eher schüchtern beschrieben, mag Fußball, Schwimmen, hat Freundinnen, ist solide in der Schule. Von einem sexualisier-ten Medienverhalten spricht der Ermittlungsbeamte. Ayleen überlegt, mit Nacktbilder Geld zu verdienen. Interesse an realen Intimitäten hat sie allerdings nicht. Im Tatmonat Juli schickt der Waldsolmser ihr bis zu 800 Nachrichten pro Tag. Er will sich um jeden Preis mit ihr treffen. Als sie sich weigert, schüchtert er sie ein. Schreibt gar über einen zweiten Account als „Henker“. Auf diese Weise bedroht er Ayleen und ihre Familie mit dem Tod.
Am dritten Verhandlungstag sollte ursprünglich Ayleens Mutter vor Gericht aussagen. Wie das Gericht mitteilte, habe sie sich wegen Krankheit entschuldigen lassen. Voraussichtlich soll sie nun an einem späteren Verhandlungstag gehört werden. Fortgesetzt wird der Prozess, um den Mord an der 14-Jährigen in drei Wochen am 10. Juli um 9 Uhr.

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