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Berühmte Besucher Butzbachs

BUTZBACH. Victoria von Battenberg mit der einjährigen Alice zu Besuch bei ihrer Großmutter Queen Victoria und ihrer Tante/SchwägerinBeatrice von Battenberg (April 1886). Repros: Storck

Teil 11: Victoria Prinzessin von Hessen und bei Rhein, verheiratete von Battenberg (1863 – 1950)

BUTZBACH. Zu den „berühmten Besuchern Butzbachs“ gehört auch Victoria Prinzessin von Hessen und bei Rhein, verheiratete von Battenberg (ab 1917 „Mountbatten“), Marchioness of Milford Haven (1863 – 1950). Im Sommer 1890 genoss sie die Gastfreundschaft ihres früheren Kindermädchens.

Victoria war das älteste von sieben Kindern des späteren Großherzogs Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein und seiner Ehefrau Prinzessin Alice von Großbritannien und Irland. Geboren wurde sie am Ostersonntag, 5. April 1863, in Windsor Castle in Anwesenheit ihrer Großmutter Queen Victoria, der Namenspatin, in deren Armen sie einige Wochen später getauft wurde. Ende August 1869, besuchte die sechsjährige Prinzessin vermutlich erstmals Butzbach, als die großherzogliche Familie im „Gasthaus zum Goldenen Löwen“ am Butzbacher Marktplatz einkehrte. 

Dort „verlor“ man bekanntermaßen das Kindermädchen, die geborene Münzenbergerin Katharina Müller, an den Wirt und Besitzer des Löwen, Jacob Seulburger. Nur noch bis Mitte Dezember 1870 wurden Victoria und ihre Geschwister von ihrem innig geliebten „Kathrinchen“ betreut. Doch der Kontakt riss nie ab, zumal Victoria neben ihrer Mutter Alice und ihren Schwestern Elisabeth und Irene im Februar 1872 Patin von Katharinas Tochter Alice Seulburger wurde. 

Prinzessin Victoria galt als burschikos, körperlich kräftig und ein „Wildfang“, unendlich neugierig, und wurde vielleicht aus diesem Grund von ihrer Mutter Alice sehr streng und zur Einfachheit erzogen. Aber Alice erkannte auch früh die Wissbegierde und Intelligenz und die außergewöhnliche Veranlagung zum Lernen bei der erst Sechsjährigen und förderte sie durch die entsprechende Ausbildung. Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 half die Siebenjährige(!) mit ihrer Mutter Alice in den Suppenküchen der Darmstädter Lazarette aus und verbrannte sich dabei einen Arm mit heißer Suppe. 

Zeitlebens war Victoria bekannt für ihre hohe Allgemeinbildung. Sie war eine begeisterte Leserin, hatte großes Interesse an der Wissenschaft, besonders an Geologie und Archäologie. Ihr jüngster Sohn Louis, der spätere „Earl Mountbatten of Burma“ und letzte britische Vizekönig von Indien, „First Sea Lord“ und Generalstabschef, nannte sie später einmal eine „wandelnde Enzyklopädie“. „Sie sammelte Wissen zu allen möglichen Themen und hatte die große Gabe mir alles interessant zu vermitteln. Sie hat mir beigebracht gerne hart zu arbeiten und gründlich zu sein. Sie war offen und aufgeschlossen in einem für Mitglieder der königlichen Familie ungewöhnlichen Ausmaß. Sie war auch völlig frei von Vorurteilen z.B. gegenüber Politik, Hautfarbe und ähnlichen Dingen“. 

1873 musste sie miterleben, wie ihr kleiner Bruder Friedrich (1870-1873), der an der Bluterkrankheit litt, nach einem Fenstersturz an den inneren Blutungen verstarb. 1878 grassierte in Darmstadt die Diphterie und Victoria und ihre Geschwister (bis auf Elisabeth, die sich bei den Großeltern aufhielt) steckten sich an. Die jüngste Schwester Marie starb mit nur vier Jahren im November 1878, nur wenige Wochen vor ihrer Mutter Alice, die sich bei der Pflege der Kinder angesteckt hatte. 

Die 15-jährige Victoria wurde als ältestes Kind nun die Stütze ihres Vaters und übernahm zeitweise die Mutterrolle für die jüngeren Geschwister. Später schrieb sie: „Der Tod meiner Mutter war ein irreparabler Verlust… Meine Kindheit endete mit ihrem Tod, denn ich wurde die Älteste und am meisten verantwortlich.“ 

Eine besonders enge Beziehung zu ihrer Großmutter Queen Victoria wird durch den intensiven Briefwechsel nach dem Tode Alices belegt. Die Queen holte dann die Enkelkinder zeitweise nach England und kümmerte sich zusammen mit zwei Kindermädchen um eine „englische Erziehung“. 

1884 heiratete Victoria Prinz Ludwig (Louis) von Battenberg, einem Cousin ihres Vaters, den sie seit ihrer Kindheit kannte. Louis war ein Sohn aus der unebenbürtigen Ehe von Alexander von Hessen und Julie Gräfin Hauke. Die Kinder aus dieser Ehe wurden vom brüderlichen Großherzog zunächst als Grafen, später als Prinzen und Prinzessinnen von Battenberg (Name eines seit 1310 verwaisten hessischen Adelsgeschlechts) betitelt. 

Louis machte in der britischen Royal Navy Karriere. 1868 war er unter anderem auf Anraten von Victorias Mutter Alice, als 14-Jähriger in die Navy eingetreten, wurde britischer Staatsbürger und brachte es zum höchsten Amt in der Navy, dem „First Sea Lord“. Victoria und er verbrachten ihr unruhiges Leben zwischen dem Hof der Queen in England, Schloss Heiligenberg in Deutschland (Stammsitz der Battenbergs) und der Insel Malta, wo Louis häufig stationiert war. Das Paar bekam vier Kinder: Alice (*1885), Louise (*1889), George (*1892) und Louis (*1900), von dem anfangs schon die Rede war. Die Ehe soll sehr glücklich und harmonisch verlaufen sein. 

Im Sommer 1890 besuchte Victoria von Battenberg mit ihrer fünfjährigen Tochter Alice ihr „Kathrinchen“ und ihr Patenkind, die 18-Jährige Alice in Butzbach. Mit Datum vom 21.07.1890 bedankte sie sich in einem Brief herzlich für die erwiesene Gastfreundschaft: „…und freue mich sehr, dass unser Besuch Ihnen Freude gemacht hat. Es war gar zu hübsch bei Ihnen. Alice (von Battenberg) spricht noch oft von Butzbach und Kathrinchen, und will immer noch nichts von ,Frau Müller‘ hören. …stets Ihre treu ergebene Victoria“. (Fortsetzung folgt) 

Dagmar Storck.

BUTZBACH. Das Bild zeigt Katharina „Kathrinchen“ Müller als Butzbacher „Löwenwirtin“.

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