TMK spendet 2000 Euro für Initiative „Wir machen. Für ein Kinderlachen“
17. April 2020
Butzbacherin vermisst ihre Urenkel…
20. April 2020

Berühmte Besucher Butzbachs (IV)

Heute: Georg Büchner (1813 – 1837) 

BUTZBACH. Grund- und Freiheitsrechte haben für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein besonderes Gewicht und wurden aus diesem Grund mit den Artikeln 1 bis 19 an die Spitze des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gestellt. Der hohe Rang, den die Verfassungsgeber den Grundrechten beimaßen, erklärt sich aus den Erfahrungen der deutschen Geschichte, in der sie keineswegs selbstverständlich gewährleistet waren. In vielen Ländern der Welt sind sie noch weiterhin eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. 

Viele von uns betrachten die Grundrechte heute als etwas Selbstverständliches, um die man sich nicht persönlich kümmern muss. Wie es ist, selbstverständliche Grundrechte vorübergehend aufgeben zu müssen, erfahren wir alle derzeit schmerzhaft am eigenen Leib! Wir alle wünschen uns, dass diese Zeit bald wieder endet, hoffentlich sehen wir anschließend unsere in der Verfassung garantierten Grundrechte in einem anderen Licht. Gerade in einer Stadt, in der vor rund 200 Jahren – in Zeiten der Unterdrückung jeglicher Meinungsfreiheit – ein Mann für seine kritische politische Grundhaltung in das Visier der Staatsobrigkeit geriet, und letztendlich den Einsatz für Freiheitsrechte und bessere Lebensbedingungen mit dem eigenen Leben bezahlte, Dr. Friedrich Ludwig Weidig. 

Weidig war seit Studententagen politisch aktiv. Aufgrund seines überregionalen Bekanntenkreises und der illegalen Zusammenarbeit mit politisch Gleichgesinnten würden wir ihn heute als einen „Networker“ bezeichnen. Nach über 20 Jahren Wirken, liefen bei ihm alle wichtigen konspirativen politischen Fäden des Landes zusammen. Nach seiner ersten 49tägigen Inhaftierung, in Folge des gescheiterten Revolutionsversuches in Frankfurt („Frankfurter Wachensturm“, 1833), kämpfte Weidig mit der Herausgabe illegaler Publikationen weiter gegen Unrecht, Unterdrückung und Unfreiheit („Leuchter und Beleuchter für Hessen oder der Hessen Nothwehr“). Durch sein gutes Netzwerk besaß er die wichtigen Kontakte zu „Finanziers“ und illegalen Druckmöglichkeiten. Seine Bedeutung innerhalb der Gruppierung war sicherlich auch der Grund für die Bekanntschaft mit dem mehr als halb so alten Gießener Medizinstudenten Georg Büchner. 

Der 20-jährige Büchner befand sich ab Ende Oktober 1833 in Gießen, um dort an der Landesuniversität sein Studium abzuschließen. Durch einen alten Darmstädter Schulkameraden lernte er einen guten Bekannten von Weidig kennen, den Pfarrersohn August Becker. Dieser wurde bald zu Büchners engstem Vertrauten. Etliche ehemalige Schulkameraden von Büchner studierten in Gießen und waren, mehr oder weniger, in den Frankfurter Wachensturm verwickelt gewesen. 

BUTZBACH. Im Haus Zeuner, Weiseler Straße 7, übernachtete Georg Büchner vom 4. auf den 5. August 1834. Repros: Storck

Der 43-jährige Butzbacher Rektor war Büchner vermutlich bereits „ein Begriff“, als er ihm Anfang 1834 von August Becker vorgestellt wurde. In einem Brief schilderte dieser die Situation folgendermaßen: „Ich habe den Büchner bei Weidig eingeführt. Er vertrug sich nicht gut mit ihm in politics. Desto mehr enchantirt war er von seiner Frau, einem überaus herrlichen Geschöpf. Er verlor sein natürliches Ungestüm, wenn sie dazu kam (…)“. Büchner war mehrmals in Weidigs Haus in der Langgasse, so zwischen dem 6. und 8. März 1834, als Weidig für die aus der Haft entlassenen „Wachenstürmer“ ein Fest organisierte, an dem auch Georg teilnahm. 

Wenige Tage später weihte Büchner einige der Entlassenen und andere Freunde in Gießen, in das mit Weidig verabredete Projekt einer Flugschrift ein. Mitte März holte er sich bei Weidig die aktuelle, offizielle Statistik des Landes ab, die als Quelle für das von ihm geschriebene Urmanuskript des (später von Weidig so betitelten und überarbeiteten) „Hessischen Landboten“ benutzt wurde. Die Bevölkerung sollte aufgerüttelt und zu einer Revolution bewegt werden („Friede den Hütten, Krieg den Palästen“). Büchners Fassung wurde von Becker „in’s Reine“ gesetzt, und zu Weidig gebracht. Karl Braubach versteckte das Manuskript in der elterlichen Scheune, die an Weidigs Garten grenzte. So konnte Weidig es ungesehen nach Bedarf zum Bearbeiten in sein Haus holen.

Über Weidigs „Bearbeitung“ seines Textes war Büchner nicht gerade erfreut, aber letztendlich wurde Anfang Juli bei einem Treffen verschiedener Demokraten auf der Badenburg bei Gießen, unter Anwesenheit von Büchner, der Druck in der Version Weidigs beschlossen. Gleichzeitig gründete man einen geheimen überregionalen „Preßverein“. Zwei Tage später brachten Büchner(!) und der Student Jacob Friedrich Schütz die Unterlagen zur illegalen Druckerei. Das Ganze hatte man zur Sicherheit als „Botanische Exkursion“ getarnt. Ende Juli holten Schütz, Büchners Freund Karl Minnigerode und Weidigs „kleiner Merkur“, Karl Braubach, ca. 1500 gedruckte Exem-
plare beim Drucker ab und brachten sie an verschiedene Orte des Landes. 

Durch den Verrat eines Butzbacher Weidig-Vertrauten scheiterte die ganze Aktion. Am 1. August 1834 wurde Minnigerode beim Versuch Exemplare des Landboten nach Gießen einzuschleusen, verhaftet und inhaftiert. Als der Verrat offensichtlich wurde, machte sich Büchner von Gießen aus unverzüglich auf den Weg, um die wichtigsten Beteiligten am Projekt zu warnen. Als erstes führte sein Weg nach Butzbach zum Haus der Familie Zeuner in der Weiseler Straße, von dort zum Haus der Braubachs und mit Wilhelm Braubach zu Weidig in die Langgasse. Nach einer Ruhepause bei den Zeuners ging es Richtung Offenbach. Dort schlief er bei Verwandten und ging am nächsten Tag nach Frankfurt. Auf dem Rückweg übernachtete er vom 4. auf den 5. August im Haus der Zeuners und kehrte dann nach Gießen zurück. 

Wie das Ganze endete, wissen wir, auch Weidig und Büchner wurden verraten. Weidig starb nach zweijähriger Kerkerhaft elendig in Darmstadt, Büchner konnte, unter anderem mit 20 Gulden aus der Hand von Karl Braubach versorgt, über Straßburg in die Schweiz flüchten. Den gleichen Weg nahm auch Wilhelm Braubach, der in Zürich wieder auf seinen Freund Georg traf. Anfang Februar 1837 erkrankte Büchner an Typhus, auch Wilhelm Braubach hielt an seinem Bett die Krankenwache. Am 19. Februar 1837 verstarb Georg Büchner, noch keine 24 Jahre alt, vier Tage vor Weidig. Büchner zählt trotz seines „schmalen Werkes“ zu den bedeutendsten Literaten Deutschlands. Seinem Andenken gewidmet ist der „Georg-Büchner-Preis“, der alljährlich von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt verliehen wird.                                                                                                                                                                                      Dagmar Storck

Comments are closed.