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23. Juni 2022Jüdische Nachfahren der Familie Nelkenstock, Wertheim, Lubelski zu Gast im Butzbacher Rathaus
BUTZBACH (pe). Besonderen Besuch empfing der Butzbacher Bürgermeister Michael Merle kürzlich: Mitglieder der Familie Nelkenstock-Wertheim-Lubelski aus Argentinien, die im Rahmen der Begegnungswoche am Projekt „Jüdisches Leben Frankfurt“ teilnahmen, besuchten Butzbach und Langsdorf bei Lich. Alle Familienmitglieder emigrierten 1937 nach Argentinien.
Hintergrund: Isaak Nelkenstock, geb. 1877 in Tann in der Rhön, war Kaufmann in Langsdorf bei Lich und zog im Juni 1937 nach Butzbach (Hindenburgallee, Taunusstraße 4). Nelkenstock besaß in Butzbach das Möbelgeschäft „Möbel und Maschinenfirma Ferdinand Kahn“, Zweigniederlassung jenes in Langsdorf. Geleitet wurde das Haus von seinem Schwiegersohn Willy Wertheim, geb. 1899 in Dimmerode/Diemerode – ein mit Orden dekorierter Soldat des Ersten Weltkrieges. Aus dem Telefonbuch 1928 geht hervor: „Filialleiter“ der Zweigstelle „Möbel- und Maschinenfirma Ferdinand Kahn“, Wetzlarer Straße 20 in Butzbach. Willy Wertheim wollte Deutschland nicht verlassen, selbst als das Geschäft mit Judenstern und „Kauft nicht bei Juden“ bemalt wurde. Seine Ehefrau Hedwig plädierte für eine Auswanderung – ansonsten gehe sie allein. Auch ein Butzbacher Pfarrer (1926 – 1939, Friedrich Otto Lindenstruth) riet dringend von einem Bleiben in Butzbach ab.
Isaak Nelkenstocks Ehefrau Sidonie (genannt „Sidi“) Nelkenstock geb. Kahn, geb. 1880 in Langsdorf, verstarb im Juli 1937 im Alter von 56 Jahren in Butzbach. Ihr Grabstein ist auch heute noch auf dem jüdischen Friedhof in der Kernstadt erhalten. Isaak Nelkenstock emigrierte im Dezember 1937 mit der Familie der Tochter (Hedwig Nelkenstock) nach Argentinien – zusammen mit dem vierjährigen Enkel Fritz (heute: Federico). Tochter Siddy und Schwiegersohn Rudolf Lubelski hatten es bereits nach Argentinien geschafft. Somit lebte die Familie nur im Jahr 1937 in Butzbach.

Das Foto zeigt Gästeführer Günter Bidmon (l.) vor dem Grabstein von Sidonie Nelkenstock auf dem jüdischen Friedhof in Butzbach. Foto: Pressestelle Stadt Butzbach
Federico (früher: Fritz) Nelkenstock-Lubelski, geb. 1934, kehrte nun – nach knapp 85 Jahren – nach Butzbach zurück. Bürgermeister Merle empfing die Gäste im Ratsherrensaal des Butzbacher Rathauses. Eine Besonderheit des Besuchs stellte auch die Anwesenheit von Andres Wertheim dar, Nachfahre von Willy Wertheim. Andres Wertheim fungierte als Übersetzer und bereicherte mit seinem umfangreichen Wissen und seinen lebhaft dargestellten Erzählungen aus der damaligen Zeit die Veranstaltung und hinterließ tiefen Eindruck bei den Teilnehmern. Nach vielfältigen, interessanten Gesprächen sowie Vorträgen zur jüdischen Geschichte Butzbachs von Gästeführer Günter Bidmon trugen sich die Teilnehmer in das Goldene Buch der Stadt Butzbach ein.

Das Foto zeigt Federico (früher: Fritz) Nelkenstock-Lubelski mit seinem Sohn beim Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Butzbach. Foto: Pressestelle Stadt Butzbach