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Butzbacher Denkmal erhält für hohe Qualität der Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten Auszeichnung 

BUTZBACH (pm). Mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege wurden am Mittwoch auf Schloss Biebrich in Wiesbaden die Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten am Solms-Hohensolmser Schloss ausgezeichnet. Die Festrede bei der Preisverleihung hielt Staatsministerin Angela Dorn.  

BUTZBACH. Wissenschaftsministerin Angela Dorn überreichte den Preis im Biebricher Schloss. Fotos: Paul Müller

Das Dachtragwerk des Schlosses gilt als gut erhaltenes Zeugnis der Zimmermannskunst zur Zeit des ausgehenden Mittelalters. Es finden sich alle Bearbeitungs- und Verbindungstechniken, die zu dieser Zeit bekannt waren, im Dachstuhl wieder. Das über vier Ebenen ausgebildete Kehlriegeldach wird in der oberen Ebene über einen stehenden Stuhl, in den unteren beiden Ebenen über liegende Stühle unterstützt. Dabei sind die Balken aus Eichenholz ungewöhnlich kräftig ausgebildet und schufen damit die Voraussetzungen, die bis dahin bekannten Holzverbindungen, wie Zapfen, Blätter, Kämme, Einhalsungen, Klauen und Versätze, zu einem komplizierten System raffiniertester Holzverbindungen mit großem Variationsreichtum für die konkrete Einbau-situation zu entwickeln. Sie dokumentieren die Übergangszeit zwischen 1470 und 1550, in der die Zapfenverbindung mehr und mehr die Blattverbindung ablösten. Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern stellen 200 Deckenbalken und Sparren eine gewaltige Konstruktion dar, deren Zustand hauptsächlich im Traufbereich wegen jahrzehntelanger Feuchtigkeits-einwirkung in Mitleidenschaft gezogen worden war. 

BUTZBACH. Mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege wurden die Arbeiten am Dachstuhl des Solmser Schlosses in Butzbach prämiert. Fotos: Rüdiger Fanslau

Damit der Eingriff in die historische Bausubstanz minimal-invasiv ausgeführt werden konnte, wurde eine Balkenkopfsanierung mittels schräg hinterschnittener Überblattung ausgeführt. Die schadhaften Stellen wurden ausgeklinkt und mit passgenauen Balkenstück-en aus intaktem, altem Bauholz in Zweitverwendung ersetzt. Letzteres, um den historischen Charakter des Dachstuhls beizubehalten, Sehwindverformungen zu minimieren sowie Aspekte der Nachhaltigkeit angemessen zu berücksichtigen. 

Weil sich der liegende Dachstuhl über drei Geschosse erstreckt und das Dach sehr steil ist, war die Verstärkung der sanierten Sparrenfußpunkte notwendig. Zu diesem Zweck wurde jeder Sparren am Balkenauflager mit einer Knagge versehen. Mit dem so hergestellten Rückversatz konnte eine formschlüssige Übertragung der einzuleitenden Kräfte ohne metallische Verbindungsmittel erfolgen.  

Zur grundlegenden Dachstuhlsanierung zählte auch der Einbau einer Aufsparrendämmung. Mit der Erneuerung der Dacheindeckung erfolgte die konsequente Ausbildung einer luft- und winddichten Ebene, um Konvektionsströme und damit Tauwasserausfall in der Dämmebene zu verhindern. Dabei entschied sich das Planungsteam für die Dämmung über dem Sparren, da der Dachraum weiträumig genutzt und das Gebälk innen sichtbar erhalten werden sollte. Die Dacheindeckung wurde mit Moselschiefer in altdeutscher Deckung ausgeführt. 

Der bisher ungenutzte Dachstuhl wurde durch hochwertige Dämmstoffe aus dem nachwachs-enden Rohstoff Holz für eine zukünftige Büronutzung energetisch ertüchtigt. Alle Räume werden mit Flächenheizsystemen in Wand und Boden temperiert. Durch diese Maßnahmen konnten die erheblichen Temperaturschwankungen im Dachstuhl reduziert und die Verformung des Primärtragwerkes (Deckenbalkenlage) sowie des Sekundtragwerkes (Stuckdecken) gedämpft werden. Selbst die strengen Anforderungen der Energieeinsparverordnung 2017 und damit der Wunsch der Bauherren, das Bauwerk nachhaltig zu bewirtschaften, konnten erfüllt werden.

Die Sanierung des Solms-Hohensolmser Schlosses wird von den Denkmal-Fachbehörden als gelungenes Gemeinschaftswerk gewertet: ,,Bei der Revitalisierung des Solmser Schlosses, einem Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung, war der sensible Umgang mit der vorhand-enen Bausubstanz die entscheidende Planungsvoraussetzung. Für die Sanierung wurden die renommiertesten Experten zu Rate gezogen, die Instandsetzung des Renaissancebaus erfolgte mit großem Sachverstand und handwerklichem Können. Diese fachlich hochprofessionelle und vorbildliche Maßnahme wurde deshalb bereits mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis 2017 ausgezeichnet.“

BUTZBACH. Mit den Vertretern der beteiligten Handwerksbetriebe freuten sich Professor Dr. Dr. Friedrich Grimminger (2.v.l.) und Professor Ulrich Grimminger von der Entwicklungsgesellschaft Solmser Hof über die Auszeichnung. Foto: thg

Die Holzbauarbeiten führte die  Zimmerei Eifert aus Grebenau-Schwarz aus. Die Schiefer- und Spenglerarbeiten übernahm die Prange GmbH aus Brilon.

Der Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege wird seit 1993 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks verliehen. Der Preis soll einerseits private Denkmaleigentümer motivieren, handwerkliche Qualität und Leistung einzufordern, und andererseits das Handwerk auf das lohnende Arbeitsfeld Denkmalpflege aufmerksam machen.   

Bereits 1780 erließ Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel eine Denkmalschutzverordnung für Hessen. Auch das erste moderne Denkmalschutzgesetz, 1902 für Hessen-Darmstadt erlassen, hatte Vorbildcharakter. Heute ist Denkmalschutz in Artikel 62 der Landesverfassung verankert.

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