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Der Volkstrauertag bleibt eine Mahnung für Frieden in der Welt

Auf der Kriegsgräberstätte Nieder-Weisel wurde der Opfer von Kriegen und Gewalt gedacht

BUTZBACH (rm). Bürgermeister Michael Merle begrüßte gestern auf der zentralen Gedenkfeier zum Volktrauertag auf der Kriegsgräberstätte in Nieder-Weisel den Landtagspräsidenten Norbert Kartmann, Landrat Jan Weckler, die Pfarrerin Cornelia Hankel, die Lehrerin Jessica Groß und die Schülerin Karin Albrecht von der IGS Schrenzerschule, sowie Vertreter des Vereinsrings Butzbach. Die Mitglieder der Feuerwehrmusik Butzbach/Kirch-Göns, der Freiwilligen Feuerwehr Nieder-Weisel, des Kreisverbindungskommandos Wetterau der Bundeswehr und der Reservistenkameradschaft gestalteten die Gedenkfeier mit. 

Nach einem Choral der Feuerwehrmusiker erinnerte Bürgermeister Merle an die 534 Opfer des 2. Weltkrieges, die auf der Nieder-Weiseler Kriegsgräberstätte ihre letzte Ruhe fanden und an die vielen Begräbnisorte und Massenfriedhöfe. „Wir sind ergriffen in Sprachlosigkeit angesichts der unfassbar vielen Kreuze – stumme Zeugen, die uns das Ausmaß des Schreckens, des Sterbens, des Leids allenfalls erahnen lassen. Alle hier Bestatteten teilen dasselbe Schicksal: Ein gewaltsamer, ein sinnloser und ein in jedem Einzelfall  zu früher Tod.“, sagte Merle. Stellvertretend für die vielen namenlosen Opfer stellte Merle Friedrich Frank vor, der im Alter von nur 14 Jahren bei Babenhausen in den letzten Märztagen 1945 bei Kämpfen um Babenhausen getötet wurde. Besonders tragisch sei dabei, dass sein Geburts- und Heimatort Butzbach am 29. März 1945 von den Amerikanern kampflos besetzt worden sei. „So wie er zwangsrekrutiert als letztes Aufgebot von blutjungen Kindersoldaten, die noch gegen Ende des 2. Weltkrieges gnadenlos verheizt wurden, Seite an Seite mit greisen Männern – dem sogenannten Volkssturm.“, betonte Merle.  

„Die Intention des Volkstrauertages war und ist die Hoffnung, dass die gemeinsame Erinnerung an Schrecken und Leid, dass der Tod von Menschen wie Friedrich Frank eine Mahnung sei, die den Frieden für künftige Generationen bewahren möge.“, sagte Merle abschließend. 

Landrat Weckler erinnerte in seiner Ansprache an das Ende des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren und ging auf die Geschichte des Volktrauertages ein. Ursprünglich wurde der Gedenktag auf eine Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge für die getöteten Soldaten des 1. Weltkrieges eingerichtet. „Im Nationalsozialismus wurde der Volktrauertag zum „Heldengedenktag“ umbenannt. Da galt es nicht mehr, der Toten zu gedenken, sondern die Gefallenen grundsätzlich als Helden zu verehren.“, sagte Weckler. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges bekam der Volkstrauertag eine neue Bedeutung. Da viele Kriegsopfer ihr Grab weit weg von ihrer Heimat fanden, war ein gemeinsamer Tag des Gedenkens für viele Angehörige sehr wichtig“, betonte der Landrat.  

„Zunächst war der Tag der Trauer um die eigenen Gefallenen gewidmet, aber mit der Wiederbewaffnung und dem Kalten Krieg gewann die Sorge vor einem neuen Krieg die Oberhand. Mit dem von Bundespräsident Theodor Heuss im Jahr 1952 eingeführten „Text des Totengedenkens“ gilt diese Sorge nicht nur den eigenen Gefallenen, sondern auch global den Opfern aus Krieg und Verfolgung weltweit.“, betonte Weckler. Vor dem Hintergrund der Vergangenheit unseres Landes und unserer Vorfahren hätten wir als Nachgeborene eine besondere Verantwortung. Heute sei es gut und wichtig etwas dagegen zu tun, wo zu Hass aufgerufen werde, wo Minderheiten wieder zu Menschen zweiter Klasse abgestempelt würden. „Unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt“, appellierte der Landrat.

Landtagspräsident Norbert Kartmann ging ebenfalls auf das Ende des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren ein und erinnerte an die 17 Millionen im 1. Weltkrieg getöteten Menschen. „Der 2. Weltkrieg   war noch brutaler, noch unmenschlicher, noch verbrecherischer, mit noch höherem Blutzoll: 60 bis 65 Millionen Kriegsopfer und dazu die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes und Terrors, in Summe 80 Millionen Tote. Zwei Weltkriege in unmittelbarer Verantwortung Deutschlands mit 100 Millionen Toten weltweit. Welch ein Wahnsinn des 20. Jahrhunderts“, sagte Kartmann. Dieser Gedenktag sei unverzichtbar für ein Leben in der Verantwortung vor unserer Geschichte. „Die Ursachen von Diktaturen, die Ursachen von Menschenverachtung beginnen nicht selten in den kleinen Konflikten des menschlichen Miteinanders“, betonte der Landtagspräsident. Kartmann zitierte Albert Einstein mit den Worten: „Das Leben ist gefährlich. Nicht wegen der Menschen, die Böses tun, sondern wegen derer, die sich hinsetzen, um dabei zuzusehen.“ 

Am Schluss seiner Absprache ging Kartmann auf den in jetzigen Zeiten in Europa und weltweit aufbrechenden Nationalismus ein. Er unterschied zwischen Nationalismus und Patriotismus. Allzu oft sei Patriotismus ein Deckmantel für nationalistisches Gedankengut. Er zitierte den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit den Worten: „Patriotismus ist Liebe zu den Seinen;  Nationalismus ist Hass auf die anderen.“ 

Die Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Weisel, Cornelia Hankel, ging in ihrer Ansprache auf das Ende des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren ein. Gemeinsam beteten die Anwesenden das „Vater unser“, das alle friedliebenden Menschen verbindet. 

Die Schülerin der IGS Schrenzerschule, Karin Albrecht, trug das Gedicht „Europa soll leben“ von Gerhard Ledwina vor. Anschließend spielte die Feuerwehrmusik Butzbach – Kirch-Göns das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“ und es wurden von den Abordnungen fünf Kränze niedergelegt. Bürgermeister Merle dankte allen Mitwirkenden für die Unterstützung und bei den Gästen für ihr Kommen.           

    

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