Nach Vorfall in Butzbach sieht Gericht in längerer Gefängnisstrafe Chance, Abhängigkeit loszuwerden
BUTZBACH/GIESSEN (jwn). Wegen seiner erheblichen Drogen- und Alkoholprobleme hat sich ein 30-jähriger Reichelsheimer nun schon seine zweite Gefängnisstrafe eingehandelt. Zu fünf Jahren und zwei Monaten hat ihn die 6. Strafkammer des Gießener Landgerichts dieses Mal verurteilt.
Am Ende nutzten weder die Tränen des Angeklagten, noch sein Versprechen, nun wirklich sein Leben auf die Reihe bringen zu wollen, das Gericht wich nur unwesentlich vom Strafmaß der Staatsanwaltschaft ab, die zuvor fünf Jahre und sechs Monate Haft gefordert hatte. Verurteilt wurde der einschlägig vorbestrafte Reichelsheimer, weil er im März 2020 zwei Päckchen mit Haschisch, Marihuana, Ecstasy und Amphetamine über die Mauer der Justizvollzugsanstalt Butzbach geworfen hatte.
Wie er sagte, weil ihn, den ehemaligen Zellengenossen, Gefangene der JVA Butzbach dazu gezwungen hatten. Während die Staatsanwaltschaft diese Aussage in Zweifel stellte und Täterschaft annahm, um sich seinen eigenen Drogenkonsum zu finanzieren, akzeptierte das Gericht die Aussage des Angeklagten hinsichtlich des Drucks seiner ehemaligen Zellengenossen, bewertete jedoch seinen Tatbeitrag, nämlich die Überwürfe der Rauschgiftpakete über die Gefängnismauer als Beihilfe. Die Taten drei und vier spielten sich wenig später in seiner Wohnung in Reichelsheim ab. Nachdem die Polizei anhand der DNA-Spuren an den Rauschgiftpäckchen ihn als Täter ermittelt hatte, kam es zu einer Hausuntersuchung. Auch dort wurde Rauschgift in nicht unerheblichen Mengen gefunden, darüber hinaus Streckmittel, eine Feinwaage, 1010 Euro Bargeld sowie eine Schreckschusspistole.
Als während der Wohnungsdurchsuchung seine Verlobte die Wohnung verlassen wollte, die Polizei aber zunächst ihre Kleidungsstücke untersuchen wollte, eskalierte die Situation. Der Angeklagte sprang von seinem Sessel hoch und obwohl er Handschellen an hatte, wollte er seine Verlobte beschützen. Den Drogen- und Waffenfund bewertete das Gericht als bewaffneten Handel mit Drogen und den Kontakt mit den Polizeibeamten als Folge der vermeintlichen Hilfestellung für seine Verlobten als Widerstand gegen Staatsgewalt.
Der Sachverständige Dr. Rolf Speyer hatte in seinem psychiatrischen Gutachten vor den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung darauf hingewiesen, dass der Angeklagte schon mit acht Jahren den ersten Kontakt mit Rauschgift gehabt hatte und ab dem zwölften Lebensjahr dauerhaft Betäubungsmittel zu sich genommen habe. Deshalb beginnt die Liste seiner Straftaten bereits mit zwölf Jahren mit einem Diebstahl und einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Er hat dann zwar nach einigen Schulwechseln den Hauptschulabschluss erreicht, jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen.
2015 wurde er schließlich zu einer vier jährigen Haftstrafe, ebenfalls wegen des Handels mit Betäubungsmittel, verurteilt. Während dieser Haftstrafe hat er sich einer ersten Entziehungskur unterzogen, sie dann jedoch vorzeitig wieder abgebrochen, weil er immer wieder rückfällig wurde. Daraufhin unterzog er sich zum Ende seiner Haft einer Drogensubstitution, umso dem Suchtproblem entfliehen zu können.
Zwar wünschte sich der Angeklagte eine erneute Aufnahme in eine Entziehungsanstalt, zumal dies meist mit der Reduzierung der Haftstrafe Hand in Hand geht, aber der Sachverständige riet davon ab. Der Angeklagte sei dermaßen drogensüchtig, dass die Gefahr eines Rückfalls in einer Entziehungsanstalt für ihn viel zu groß sei. Besser für ihn sei deshalb eine Substitutionsbehandlung.
Und auch wenn Verteidiger Stefan Adler das Gericht nahezu anflehte, dem Angeklagten mit einer langen Haftstrafe nicht das Leben zu verbauen und ihn deshalb nur mit einer allenfalls dreijährigen Gefängnisstrafe zu belegen, so sah das Gericht gerade in der längeren Haftstrafe eine Chance für den Angeklagten, sein Leben nun endlich in Ordnung zu bringen. „Sie können in der Zeit endgültig Abstand von den Drogen gewinnen und endlich eine Berufsausbildung abschließen. Nehmen sie die Haftstrafe deshalb mehr als Chance, denn als Strafe an“, begründet der Vorsitzende Richter Dr. Lessing das Strafmaß.