PREMIERENLESUNG — Ingeborg Rauchs dritter Krimi „Bitteres Paradies“ spielt wieder in „Schrankenbach“
Butzbach (dt). Auf diesen Namen für Butzbach muss man erst einmal kommen, obwohl er seinerzeit schlüssig war: „Schrankenbach“. Derjenige, der die Stadt Butzbach im November 1962 – voller Ungeduld und Hohn vor der geschlossenen Schranke in der Taunustrasse wartend-sarkastisch so bezeichnet, ist der Kriminaloberrat Gunther von Hohenfels aus Gießen, Intimfeind von Hauptkommissar Emil Grüninger, des Leiters der Butzbacher Polizeistation im Rathaus. Der Butzbacher holt den Gießener – eher widerwillig als willig – am Bahnhof ab, um ihn zu einer Vernehmung ins Butzbacher Gefängnis zu bringen. Wieder nimmt die Butzbacher Autorin Ingeborg Rauch alias Antje Sauerbier ihre Leser – auch in ihrem dritten Krimi „Bitteres Paradies“ – mit auf eine Zeitreise zurück in die 60er Jahre.
Vor dem Bahnwärterhäuschen, wo der Schrankenwärter ein „idyllisches Schwätzchen“ mit einem vorbeikommenden Bekannten hält, warten die beiden Polizeibeamten im altersschwachen grünen VW-Dienstwagen mit weißen Kotflügeln darauf, dass das dauernde Rangieren hinter der Schranke beendet wird, das seine Ursache im Verladen von amerikanischen Panzern hat. Die – mit ihren Besatzungen – rücken aus zum Herbstmanöver in die Oberpfalz nach Grafenwöhr. Darum hofft Hauptkommissar Grüninger – ohne die „Amis“ – demnächst auf ein paar ruhigere Wochen in der Stadt.
Doch da sollte er sich getäuscht haben. Er und sein Gießener Kollege werden stante pede in Butzbach mit einer Kindesentführung, einer Erpressung und einer zusätzlichen Leiche konfrontiert. Bei der Premierenlesung am letzten Sonntag – inklusive einer Pkw-Oldtimer-Schau vor der Buchhandlung, „Oldies“-Schlagermusik und kleinen Pausen-Häppchen und Getränken in der Buchhandlung – wird sehr schnell eines deutlich. Die Autorin legt in ihrem dritten Roman zunehmend mehr Gewicht auf die kriminellen Taten einzelner Protagonisten als noch zuletzt, wo das lokale Flair des Butzbach von 1962 stark betont worden war. Trotzdem ist auch „Bitteres Paradies“ wieder pure Nostalgie, die mit der oben beschriebenen Bahnhofsszene einsetzt.
Die kleine fünfjährige Tochter Christel des in der Königsberger Straße wohnenden BHE/DP-Stadtverordneten Alois Schönhuber ist vom Spielen bei einer Alterskameradin nicht mehr heimgekehrt. Bald bestätigt sich, das Mädchen ist entführt worden. Liegt ein sexuelles Gewaltverbrechen vor? Gibt es Lösegeldforderungen? Als sich die Entführer bei der Familie melden, steht bald fest, dass Schreinermeister Schönhuber erpresst werden soll. Es geht um die leerstehenden ehemaligen amerikanischen Kasernenbaracken am Schrenzer. Dort planen Leute aus dem Rotlicht-Milieu – mit Unterstützung von gut betuchten Finanziers von außerhalb – den Bau einer Luxusherberge mit einem entsprechenden „Damen-Service“.
Butzbachs Bürgermeister Theodor Biedenkapp, der stets gute Verbindungen in höhere Wirtschaftskreise hat, weiß bereits mehr. Stadtverordneter Alois Schönhuber – ein Gegner des neuen Projekts – soll mit der Entführung seiner Tochter zu einem günstigen Abstimmungsverhalten im Stadtparlament in Sachen Luxusherberge veranlasst werden. Während die Butzbacher am Sonntag, dem 11.11.1962 zum Wahllokal bummeln, um für den neu zu wählenden hessischen Landtag ihre Stimme abzugeben, gibt es einen Toten. Egon Gerstelmeier ist in seiner Jagdpächterhütte, seinem „Liebesnest“, noch im Schlafanzug regelrecht „hingerichtet“ worden. Kurz darauf macht ein Spaziergänger im Wald eine Beobachtung, die er der Polizei meldet, die vor Ort dann die verlassene Hütte von Christels Entführern und Spuren des kleinen Mädchens entdeckt.
Wie passt das alles zusammen? Grüninger und von Hohenfels ermitteln zunächst im Butzbacher Rotlichtmilieu, unter anderem in der Bar „Mom’s Place“ in der Langgasse, wo sie gerade ankommen, als ein handfeste Prügelei im Gange ist. Derweil herrscht in der Bevölkerung große Unruhe wegen des verschwundenen kleinen Mädchens, da man glaubt, dass „ein lieber Onkel“ das Kind entführt habe. Die Spannung steigt – und Ingeborg Rauch bricht ihre Premierenlesung ab, um künftigen Lesern nicht vorab zu viel zu verraten.