Entrechtet, verfolgt, vertrieben, ermordet

Bruno E. Ulbrich 99-jährig gestorben
28. Januar 2021
Zu „Querdenker“-Demo wertet Polizei Videoaufnahmen aus
29. Januar 2021

Entrechtet, verfolgt, vertrieben, ermordet

BUTZBACH. Mitglieder des Butzbacher Magistrats gedachten gestern am Gedenkstein in der Innenstadt der Opfer des Holocausts. Text + Foto: thg

Holocaust-Gedenktag am Butzbacher Synagogenplatz / Straßen sollen nach Juden aus Griedel benannt werden

BUTZBACH (thg). Mitglieder des Magistrats um Bürgermeister Michael Merle kamen gestern Mittag am Gedenkstein am Synagogenplatz in der Butzbacher Innenstadt zu einem stillen Gedenken zusammen. Anlass war der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. In einer kurzen Ansprache erinnerte Merle an die Verantwortung, die aus der Geschichte erwachse, unter anderem Antisemitismus entgegenzutreten. 

Merle berichtete von einem Beschluss des Magistrats vom Dienstag. Demnach schlägt das Gremium vor, im Baugebiet „Südlich der Hochstraße“ in Griedel zwei der drei geplanten Straßen nach Griedelern jüdischen Glaubens zu benennen. Der Ortsbeirat und die Stadtverordnetenversammlung müssen darüber noch entscheiden. 

Die Dr.-Adolph-Baer-Straße soll an den am 6. September vergangenen Jahres in den USA verstorbenen gebürtigen Griedeler erinnern. Baer, Jahrgang 1930, wuchs im Haus Ecke Brudergasse/Kleinbachstraße auf. 1938 verließ die Familie Griedel und auch Deutschland. 1939 gelang die Ausreise nach New York. 54 Jahre nach der Zerstörung der Griedeler Synagoge durch die Nazis und 38 Jahre nach dem Abriss enthüllte Baer im Oktober 1992 im Beisein seiner Ehefrau Hannah eine Erinnerungstafel am Griedeler Feuerwehrgerätehaus, das an der Stelle der ehemaligen Synagoge steht. Kurz vor seinem Tod unterstützte Baer noch die Erforschung der jüdischen Vergangenheit im Butzbacher Museum mit einer Spende. 

An den letzten bekannten Vorsteher der jüdischen Gemeinde Griedel soll die Louis-Stern-Straße erinnern. Stern war auch als sozialdemokratisches Gemeinderatsmitglied hoch angesehen. Nach vorübergehender KZ-Haft verliert sich seine Spur im Jahr 1936. Sein weiteres Schicksal ist bisher unbekannt. 

Merle wies auf die Zusammenarbeit der Stadt mit der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer hin. Sie weise darauf hin, wie wichtig die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten sei. Es gehe darum, rechtsextremistischen, rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Bestrebungen in der Gesellschaft Einhalt zu gebieten. 

Am Gedenktag wolle die Stadt Butzbach ein Zeichen setzen. „Wir wollen erinnern. Wir wollen die Erinnerung an unsere jüdischen Mitbürger wachhalten. Bürger, die entrechtet, verfolgt, vertrieben und ermordet worden sind.“ Zeichen seien bereits in den vergangenen Jahren gesetzt worden. Der Bürgermeister nannte die Verlegung von Stolpersteinen, Gedenk- und Informationsveranstaltungen, die Aufwertung des Gedenkplatzes und dessen Benennung als Synagogenplatz und das Projekt „Demokratie leben“. 

Diesen Weg wolle Butzbach fortsetzen, an jüdisches Leben in der Stadt zu erinnern. So habe es im Ratsherrensaal im historischen Rathaus, ehemals als Gebetssaal genutzt, Veranstaltungen zur jüdischen Kultur gegeben. Im Jahr 2019 sei vor Weihnachten zusammen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim das Lichterfest Chanukka gefeiert worden. 

Comments are closed.