Kreiserntedankfest des Wetterauer Bauernverbands in Niddatal / „Grüner Familie wird das Leben erschwert“
WETTERAUKREIS (jwn). Ohne Maske und ohne coronabedingte Einschränkungen wurde in diesem Jahr das Kreiserntedankfest des Wetterauer Regionalbauernverbandes wieder gefeiert. Allerdings fiel in diesem Jahr jedenfalls im Hinblick auf die Besucherzahl interessierter Bürger das Fest eher bescheiden aus. Dabei hatten sich der Verband und die Stadt Niddatal große Mühe gegeben und vor dem Bürgerhaus eine Festmeile mit allerhand Sehenswerten aufbauen lassen.
Angefangen hat das Kreiserntedankfest traditionell mit einem Gottesdienst, abgehalten von dem evangelischen Pfarrer Michael Himmelreich aus Assenheim. Doch zeigte schon dieser Gottesdienst, an dem nur wenige Landwirte und Bürger teilnahmen, dass die alten Zeiten vor Corona noch nicht zurück sind. Denn eigentlich sollte das Erntedankfest einen hohen Stellenwert auch für die Wetterauer Landwirte haben und Grund genug zum Feiern bieten.
Doch davon kann momentan noch keine Rede sein. Das wurde auch deutlich in den Grußworten im Anschluss an den Gottesdienst. Beklagt wurden hauptsächlich die vielen Eingriffe der Politik, die den Landwirten das Leben schwer machten. Dabei hätten sie schon genug mit den Auswirkungen der langanhaltenden Dürrewelle und den Auswirkungen des Ukraine-Krieges zu kämpfen. „Wer, wenn nicht wir, weiß aus der täglichen Arbeit heraus, wie abhängig wir alle von den natürlichen Gegebenheiten wie Wetter und Böden sind. Der wirtschaftliche Erfolg eines Jahres – somit das Einkommen der Bauernfamilie – wird wesentlich davon beeinflusst“, so die Vorsitzende des Wetterauer Regionalbauernverbandes Andrea Rahn-Farr.
Um auf die Bedeutung der Landwirtschaft auch in der heutigen Zeit hinzuweisen, begann sie ihr Grußwort mit einer Anekdote: Bei einem Spaziergang eines Pfarrers mit einem Landwirt freute sich der Geistliche über die gutgedeihenden Früchte auf den Äckern und das hochgewachsene Korn auf den Felder. Und er lobte Gott dafür. Als sie jedoch auf einen Acker kam, der zugewuchert und heruntergekommen aussah und er den Bauern fragte, was denn mit diesem Acker los sei, da antwortete ihm der Bauer: „Diesen Acker hat Gott bestellt. Da haben wir nicht eingegriffen“.
Rahn-Farr wollte mit dieser Anekdote vor allem zeigen, dass man mit nur der Natur überlassenen Äckern keine Erträge erzielen und die Menschen nicht ernähren könne. Auf ein ähnliches Resultat, nämlich nur noch wenig blühende Felder, wird es nach ihrer Meinung hinauslaufen, wenn Vorschriften und Gesetze immer mehr in die Landwirtschaft eingreifen. „Wir als Landwirte leiden unter einer Überregulierung durch Verordnungen der Politik“, so Rahn-Farr. „Wir sind nicht nur Bauern, sondern auch Arbeitgeber, Verbraucher und Familienmitglieder. Zusammengefasst also eine grüne Familie, deren Leben und Wirken nun von der Politik immer mehr erschwert wird.“ Sie forderte deshalb die Politik auf, endlich die Reißleine bei der Gesetzgebung zu ziehen.
Staatsministerin Lucia Puttrich (CDU) griff die Anekdote der Vorrednerin auf: „Ja Gott hat die Welt erschaffen, aber der Mensch bearbeitet sie. Und deshalb kommt es auf das Vertrauen an, dass der Mensch mit diesem Auftrag richtig und verantwortungsvoll umgeht.“ Der Ukraine-Krieg habe die große Abhängigkeit von Gas und Strom gezeigt und dass mit ihnen deshalb viel sorgsamer umgegangen werden müsse. Dass nun aber Düngerverwendung und Pflanzenschutz so weit zurückgeschraubt werden soll, das gehe auch ihr zu weit. „Auch hier geht Vertrauen eindeutig vor zu starken Eingriffen durch Verordnungen.“
Ähnlich äußerte sich auch der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes Stefan Schneider. Er forderte von der Politik ebenfalls, dass vor Erlass der Verordnungen mehr Fachleute zu Rate gezogen werden sollen, denn nach seiner Ansicht seien Pflanzenschutzmittel nicht einfach Gift, sondern Medikamente für die Pflanzen, die zu deren Wachstum gebraucht würden.
Danach zogen die Gäste über die Festmeile, denn dort konnten sie beispielsweise bei dem Projekt „Bauernhof als Klassenzimmer“ des Fachdienstes Landwirtschaft des Wetteraukreises den Unterschied zwischen Hafer und Weizen bestimmen lernen oder herausfinden, was eine Blühfläche ist. Des Weiteren bot die Festmeile einen regionalen Handwerker- und Bauernmarkt sowie eine Schau landwirtschaftlicher Maschinen an. Es gab sogar einen Melkwettbewerb, allerdings nur an künstlichen Eutern. Doch hätten sich all die Veranstalter über mehr Publikum gefreut.
Etwas anderer Meinung scheinen die Grünen zu sein. So meldete sich nach der Veranstaltung das Grünen-Kreistagsmitglied Thomas Zebunke zu Wort und machte klar, dass auch die Grünen grundsätzlich gegen eine Überregulierung seien, dass aber beispielsweise der Umfang der Verwendung chemischer Pestizide in Brüssel noch gar nicht beschlossen sei und dass die hohen Düngemittelkosten Folge der Energiekrise und staatlicher Eingriffe seien. Sein Rat daher: „Wenn es gelingt, den Anteil des Ökolandbaus EU-weit auf 25 Prozent anzuheben, auch das ist Bestandteil der EU-Strategie, wäre das schon fast die Hälfte des angestrebten Reduktionsziel im Bereich Pflanzenschutzmittel. Und wenn Öko und Nicht-öko voneinander lernen, ist der Rest auch machbar.“