Erinnerung an schreckliche Realität

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Erinnerung an schreckliche Realität

BUTZBACH. An der Gedenkstunde zur Pogromnacht von 1938 nahmen am Montag unter anderem teil (v.l.) Erster Stadtrat Manfred Schütz, Bürgermeister Michael Merle, Stadtrat Michael J. Mentz, Ortsvorsteherin Astrid Gerum, Stadtrat Dieter Söhngen, Pfarrer Jörg Wiegand, Jugendforumsvertreterin Sinem Ayana und von der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim Manfred de Vries. Fotos: Löwenbein

Pogromnacht-Gedenken am ehemaligen Synagogen-Standort in Butzbach / „Monströse Zahl getöteter Juden“

BUTZBACH (thg). Die Gedenkstunde zur Pogromnacht in Butzbach fand am Montag ohne Öffentlichkeit statt. Der Stein auf dem Synagogenplatz war bereits im Vorfeld der Kranzniederlegung mit Blumen gestaltet worden. Bürgermeister Michael Merle, Pfarrer Jörg Wiegand von der Markus-Kirchengemeinde und Manfred de Vries von der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim ergriffen das Wort. 

Neben Vertretern des Magistrats waren unter anderem auch Kernstadt-Ortsvorsteherin Astrid Gerum und Sinem Ayana vom Butzbacher Jugendforum zur Veranstaltung gekommen. Wiegand und de Vries beteten im Gedenken an die Opfer des NS-Regimes. Am Montag hatte die Stadt Butzbach zusammen mit der jüdischen Gemeinde an die Butzbacher – und Bewohner heutiger Stadtteile – jüdischen Glaubens erinnert, die dem Pogrom zum Opfer fielen, 112 Menschen, die namentlich bekannt sind. 

„Wir wissen, dass die Verbrechen im Zusammenhang mit dem Pogrom im November 1938 einer Linie folgten, die spätestens mit dem Tag der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 begann“, sagte Merle. Systematische Diskriminierung, Entrechtung, Verfolgung und schließlich auch die Ermordung der jüdischen Mitbürger seien in der menschenverachtenden antisemitischen Ideologie der Nationalsozialisten angelegt gewesen. „Am Ende des Holocaust standen rund sechs Millionen getötete europäische Juden. Eine kaum vorstellbare Zahl, eine monströse Zahl.“ 

Merle fragte, wie sich das Leben der Butzbacher jüdischen Glaubens nach 1933 verändert habe. „Nicht mehr dazu zu gehören, allein dazustehen, ausgestoßen worden zu sein. Sich täglichen Repressalien ausgesetzt zu sehen. Bedroht und beschimpft zu werden, keine Rechte mehr zu haben. Und – das Schlimmste von allem: um das Leben seiner Liebsten, den engsten Angehörigen und das eigene Leben permanent fürchten zu müssen.“ Diese Auswirkungen „des braunen Terrors“ nachzuempfinden sei nur begrenzt möglich. „Man stößt an die Schranken seines Vorstellungsvermögens. Wie viel schrecklicher muss die Realität gewesen sein?“, so Merle. Umso wichtiger sei es, die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger wach zu halten. 

„Unser Gedenken bleibt dabei auch immer eine Verpflichtung, gegen jede Form des Antisemitismus, der Intoleranz, des Rassismus und der Menschenverachtung aufzustehen und einzutreten für die Verfolgten und Bedrohten“, betonte Merle. „Wir sind aber auch dazu aufgefordert, neue Formen des Gedenkens zu entwickeln. Hierzu gehören darüber hinaus das Suchen nach neuen Wegen der Auseinandersetzung mit der jüdischen Religion, Kultur und Geschichte in unserer Stadt, unserer Region und in unserem Land. Gemeinsam stehen wir auch in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Jüdinnen und Juden in unserem Land sicher, respektiert, von der Gemeinschaft anerkannt und frei leben können“, so der Bürgermeister. Jeder könne etwas dazu beitragen, dass Artikel 1 des Grundgesetzes – die Unantastbarkeit der Menschenwürde – für alle Menschen im Land Wirklichkeit wird.

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