Geht es Mühle gut, hat Stadt zu essen

Landrat warnt vor Party-Wochenende
30. Oktober 2020
Gastronomie-Schließung macht Sorgen
30. Oktober 2020

Geht es Mühle gut, hat Stadt zu essen

GRIEDEL. Mit dem Jubiläum 1250 Jahre Rainmühle in Griedel befasst sich Gail Schunk in der Kurzfassung eines Vortrags. Foto: Schunk

Historikerin Gail Schunk erinnert an Geschichte der Rainmühle, die verschiedene Herrschaften hatte

GRIEDEL. Am 26. September 770, also vor 1250 Jahren, schenkte Hunart, Spross einer vornehmen Familie, dem Kloster Lorsch 53 Joch Ackerland  in Griedel und Criftel (Vorgängersiedlung von Rockenberg), zwei Hofreiten und eine Mühle in der Hoffnung, dass seine Schenkung in aller Ewigkeit in Besitz des Klosters verbleibt. Lange Zeit glaubte man, dass die Klappermühle in Rockenberg  zu dieser Schenkung gehörte.  

Erst vor zwei Jahren fand man heraus, dass die Klappermühle dem Kloster Fulda geschenkt wurde. Leider lassen sich die Schenkungen an Kloster Fulda nicht so genau datieren wie die an Kloster Lorsch. Die Klappermühle kam zusammen mit einem umfangreichen benachbarten Gutshof, der im 13. Jahrhundert das  „Manewerck“ genannt wurde, an Kloster Fulda. 

Die Reichsklöster, wie Fulda und Lorsch, waren nicht nur Stätten von Frömmigkeit und Bildung, sondern waren auch verpflichtet, den Kaiser zu unterstützen, auch in finanzieller Hinsicht. Es war ein frommer Wunsch von Hunart, dass das Kloster Lorsch ewig in Besitz der Rainmühle bleiben würde. Bereits nach etwa 140 Jahren, während der Regierung König Konrads I. (911–918) ging die Rainmühle vermutlich in dessen Besitz über. Möglicherweise wollte Konrad dort eine Niederungsburg an der Mainzer Straße, die hier über die Wetter ging, errichten. Die Burg wurde nie gebaut, doch die Mühle blieb in Familienbesitz der Konradiner. 1274 wurde die Mühle von Nachkommen der Konradiner, die Herren von Cleeberg, an die Johanniter in Nieder-Weisel gegeben. Weil die Johanniter die Mühle verkommen ließen, „verstaatlichte“ Philipp von Falkenstein-Münzenberg 1281 kurzer Hand die Rainmühle.  

1311 wurde der Eselsweg von Nieder-Weisel zur Rainmühle „Reinmühlenpfad“ genannt. In dieser Zeit also ließen die Nieder-Weiseler ihr Getreide in der Rainmühle mahlen.  Mit der Stadtwerdung Butzbachs 1321 übernahm die Stadt eine gewisse Verantwortung für die Mühlen an der Wetter. Die Butzbacher Schützen waren verantwortlich für die Vertreibung von Gesindel aus den Mühlen und wenn ein neuer Wellbaum gebraucht wurde, stammten sie meistens, zum Ärger der Stadt, aus dem Butzbacher Stadtwald. 

Durch Frost brachen 1511 die Mahlwerke in den Mühlen. In solchen Jahren musste die Stadt Butzbach Korn kaufen oder leihen. Im Jahr 1511 konnte man vom hessischen Keller Mehl kaufen. Das Brot wurde dann im Rathaus an arme Bürger verteilt.  Zwei Jahre später veranstaltete man wieder Bittmessen und Prozessionen um die Stadt mit den liturgischen Gegenständen. Dieses Mal gab es für Mehl keinen edlen Spender. Die Stadt geriet in Aufruhr. Um die Gemüter zu besänftigen, waren Bier und Wein nötig.  

Es gab Jahre, in denen man wegen der Trockenheit in der Rainmühle nicht mahlen konnte. 1514 wurde mit der Herrschaft ausgehandelt, dass fremde Bäcker in Butzbach Brot verkaufen durften. Die städtischen Bäcker wurden dafür bezahlt, für den Müller Eis zu hacken.  1590 musste man das Getreide nach Grünberg fahren. Das Korn der Pächter der Äcker des St.-Wendelin-Hospitals fuhr man 1607 und 1608 herum, bis man eine Mühle gefunden hatte, die noch mahlen konnte. 

Die Butzbacher waren immer auf der Hut davor, dass die Herrschaft nicht ihre „althergebrachten Privilegien“ beschnitt. An den Toren der Stadt wurden sogenannte „Malzeichen“ für Mehl und Getreide ausgegeben. Dafür war ein städtischer Malzeichenmeister zuständig, der vom Rat ausgewählt war. Die Bleizeichen kosteten vier Pfennig für ein Achtel Korn für die Ausfuhr, eine Summe, die einen Gegenwert von zwei Brötchen hatte. Nach Ausgaben für die Märkchen und den Lohn für den Malzeichenmeister blieben der Stadt etwa 70 Gulden, die in Bauprojekte der Stadt flossen.  

Man könnte sagen, als Butzbach Stadt wurde, übernahm sie die „Patenschaften“ über die Wettermühlen, von denen die Rainmühle die größte und wichtigste Mühle war. Ging es der Rainmühle gut, gab es  in Butzbach zu essen.  

Noch bis ins 20. Jahrhundert brachten Bauern der Umgebung ihr Mahlgut dorthin. Wer als erster kam, durfte zuerst mahlen, ob Herr oder Knecht. Man ließ Speck und Eier in einer der Griedeler Gaststätten und kam nach dem Mahlen zum Frühstück dorthin. Das Geschäft mit den Mühlen in Griedel war so groß, dass Griedel schon im Mittelalter mehrere Gasthäuser hatte, auch ohne direkte Verbindung zu den Handelswegen. Gail Schunk

Der Beitrag verfällt zur festgelegten VERFALLSZEIT am VERFALLSDATUM.

Comments are closed.