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BUTZBACH. Ulrike von Vormann zeigte am Mittwoch im Museum zahlreiche Bilder zur Geschichte der Griedeler Straße in Butzbach. Text + Fotos: thg

In neuer Reihe „Mittwochs im Museum“ stellt Ulrike von Vormann Geschichte der Griedeler Straße vor

BUTZBACH (thg). In der neuen Reihe „Mittwochs im Museum“ stellte Ulrike von Vormann im Ausstellungshaus der Stadt Butzbach die Griedeler Straße vor – und das reich bebildert mit eigenen Fotos und Aufnahmen aus der Sammlung im Museum. Schon im 14. Jahrhundert war sie wichtiger Zugang zum Marktplatz für die Händlerinnen, aber auch für Herrschende und Soldaten. Die Straße war gesäumt von, Handel und Gastronomie in den historischen Gebäuden. 

Gut 20 Zuhörer waren gestern in die Industriehalle des Museums gekommen. Museumsmitarbeiterin Elisabeth Harder begrüßte die Gästen und stellte von Vormann vor. Sie ist vielfältig tätig in öffentlichen und privaten Führungen in der Innenstadt, arbeitet in Museums-Workshops mit, nannte Harder nur einige der langen Liste von Aktivitäten. Sie bescheinigte ihr viel historisches Wissen, das sie „häppchenweise und mit viel Begeisterung“ vorzutragen wisse. 

Erika Gillmann leistete bereits viel Vorarabeit zur Geschichte der Griedeler Straße, wie von Vormann eingangs sagte. In Verbindung mit dem Marktplatz bildete die Straße „das Urbane“ mit den Geschäften, vor denen auch die Inhaber anzutreffen waren, die zumeist über den Läden auch wohnten. „Wir können uns freuen, dass wir eine so tolle Straße hatten“, so die Referentin. 

Viele verschiedene Branchen waren in der Griedeler Straße zu Hause. Neben Bäckereien und Metzgereien gab es, je nach Epoche, vom Kupferschmied, Schuhmacher, Hutgeschäft und Frisör über Juwelier, Uhrmacher und Optiker bis hin zur Gaststätte, einem Imbiss und zu Drogerie sowie Warenhaus ein breites Angebot, das auch Zigaretten und Genusswaren umfasste, links und rechts der Straße. Dabei war es auch so, dass Läden immer mal wieder ihren Standort wechselten, sei es innerhalb eines Hauses von der linken auf die rechte Seite oder in ein anderes Haus. Im „blauen Haus“ lassen sich mit Stand 1867 ein Bäcker und ein Metzger sowie eine offene Schmiede feststellen. Das Haus reichte seinerzeit bis zur Straße Breiter Stein. 

BUTZBACH. Die Bauten und ihre Geschichte vom „Griedeler Tor“ bis zum Marktplatz beschrieb Ulrike von Vormann in ihrem Vortrag vor rund 20 Zuhörern in der Industriehalle des Museums Butzbach. Foto: thg

Viele Namen, die den Zuhörern bereits geläufig waren, nannte von Vormann zu den jeweiligen Gebäuden. Die Großhandlung Seippel in Hausnummer 4 oder Wiesslers Laden in Nummer 6 nannte sie oder auch Leopold Metzger mit seinem Kaufhaus in Nummer 10 mit einem laut einer Anzeige aus den 30er Jahren sehr umfangreichen Angebot an Artikeln mit der Aufschrift „Erstes Butzbacher Warenhaus“. Von Haus 12 zeigte sie ein Foto aus dem Jahr 1907 von der Bäckerei Heil, und damit aus dem Jahr, in dem A.W. Heil die Nudelfabrik gründete. 

Im Komplex 14 bis 16 gab es ein Schlachthaus der „Winters bei de Kirch’“ oder „Eck-Winter“. Überliefert ist die Geschichte, dass unter der Treppe zur Michaeliskapelle in einem heute verschlossenen Bogen zeitweise Schweinehälften gelagert wurden. Zu den Häusern 3, 5 und 7 berichtete von Vormann, dass die Drogerie Heinzenberg dort eine Tankstelle betrieb. Ein Foto aus dem Jahr 1936 zeigt die einzig vorhandene Säule. Wenn dort ein Auto vorfuhr, zog dies die Jungen und Männer an. 

Paula und Hermann Löb, die ein Kaufhaus auf zwei Etagen in Nummer 9 führten, wurden als Juden Opfer der Nazis. 1935 hatte es bereits eine Zusammenrottung vor dem Haus gegeben, bei dem unter anderem Waren zerstört wurden. Die Ehefrau starb, nachdem sie misshandelt worden war. Der Ehemann, Mitglied und Vorsteher der jüdischen Gemeinde, kam nach Buchenwald und Theresienstadt, überlebte beides und starb 1948 in den USA. 

Im selben Haus war dann der „alte“ Foto Pfaff zu finden, der Löbs das Geschäft abgekauft hatte. Nach dem Krieg betätigte er sich offenbar gut auf dem Schwarzmarkt. Wie von Vormann berichtete, war eine Leica-Kamera seinerzeit 6000 amerikanische Zigaretten wert. 

Im „gotischen Haus“ 15 gab es die Metzgerei Katz. Auch diese Familie litt unter den Nazis und wurde deportiert. In früheren Zeiten gehöre es dem Strumpffabrikanten, Ratsherrn und Bürgermeister Braubach (1786–1819). 

In Haus 30, einem ehemaligen Hutgeschäft, residierte zeitweise Bauers Frisörgeschäft. Heinrich Bauer, ein Barbier der alten Schule, war leidenschaftlicher Hasenzüchter. Die Tiere waren im Hinterhof untergebracht.  Laut einer Anekdote betrat ein Kunde den Laden, und als er sich bemerkbar machte, sei Bauer mit blutverschmiertem Kittel aus dem Hinterhof eingetreten. Daraufhin sei der vermeintliche Kunde aus Angst um seine Gesundheit geflohen. Dabei hatte Bauer zuvor nur eins der Tiere geschlachtet. 

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