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Kabarettistisches Feuerwerk

BUTZBACH. Am Freitag gab die Magdeburger Zwickmühle mit ihrem politisch-satirischen Kabarettprogramm „Wir stärken unsre Schwächen“ in Butzbach ihr Debüt. Ein Highlight war das Telefonat zwischen Polizei, Innenministerium und Verfassungsschutz, indem ein Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim ins Gegenteil verkehrt wurde. Text + Foto: win

LIVE IN BUTZBACH – Anspruchsvolles Kabarett der Magdeburger Zwickmühle

BUTZBACH (win). Mit der Magdeburger Zwickmühle startete die Kleinkunst-Veranstaltungsreihe „LIVE in Butzbach“ fulminant in die neue Saison. Marion Bach und Hans-Günther Pölitz präsentierten in der Alten Turnhalle ausgefeilten Sprachwitz und spitzfindige Texte. Mit ihrem Programm „Wir stärken unsre Schwächen“, das gerade erst Premiere hatte, zelebrierte die Magdeburger Zwickmühle politisch-satirisches Kabarett vom Feinsten. Dabei pflegten die beiden nicht nur den genussvollen Umgang mit der Sprache, sondern gaben ihren Wortspielereien mit Gesang und Klavierbegleitung taktvollen Schwung. Um es vorweg zu sagen: Das war kein Programm, um sich einfach mal berieseln zu lassen. Während des zweistündigen kabarettistischen Feuerwerks der Extraklasse empfahl es sich, unbedingt die Ohren zu spitzen, sonst hätte man ruckzuck eine Pointe verpasst.

Klapprig-schlurfenden Schrittes auf einen Rollator gestützt, rollerte Hans-Günther Pölitz auf die Bühne. Die Zuschauer ließen sich von diesem Bühnenbild nicht täuschen, das einen temporeichen Abend mit messerscharfer Satire in herrlichen Wortspielereien verpackt einläutete. Bei der letzten Landtagswahl hätten 13 Prozent der Bürger AfD gewählt, „also jeder achte“ sinnierte er und zählte das erstaunte Publikum durch. Als Marion Bach die Bühne betrat, schwelgte sie sogleich in Poesie, während sich Kollege Pölitz verwundert fragte, was sie wohl geraucht habe. „Der Computer hat’s gedichtet“, erwiderte sie. Und das habe was mit künstlicher Intelligenz zu tun. „Künstliche Intelligenz sei, wenn eine Blondine sich die Haare schwarz färbt“, kalauerte er und stellte fest, er sehe stattdessen vorwiegend natürliche Dummheit.

Wie ist die Lage der Nation nach 30 Jahren Wende? Darüber führten Herr Ossi und Frau Wessi ein ernstes Gespräch bei einem Sektempfang. Die Ossis seien die Wirtschaftsflüchtlinge von damals gewesen, polterte sie im schönsten Bayrisch und forderte zu mehr Dankbarkeit auf. Worauf er konterte, dass man sich Kolonien eben leisten können müsse. Im Übrigen seien die Ossis 1989 wenigstens so clever gewesen und hätten auch gleich das Land mitgebracht. So frotzelten sie sich gegenseitig und sorgten mit ihrem intelligenten und spitzfindigen Schlagabtausch immer wieder für Lacher und Szenenapplaus.

Das Duo servierte teils schwere Kost, die es zu verdauen galt; beispielsweise die Rückblende zu Walther Rathenau., als die Ermordung Werner Lübckes thematisiert wurde. Ein Highlight war das Telefonat zwischen Polizei, Innenministerium und Verfassungsschutz, indem ein Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim ins Gegenteil verkehrt wurde. Fazit: Bürger seien angegriffen worden und der Linksextremismus müsse stärker bekämpft werden. Die souveräne schauspielerische Leistung der beiden Kabarettisten war einfach grandios.

Die Magdeburger Zwickmühle 

Am 29. Februar 1996 gründete Hans-Günther Pölitz in Magdeburg die Magdeburger Zwickmühle. Seine kabarettistische Laufbahn begann er beim Studentenkabarett „Junge Dornen“ der PH Zwickau. Es folgten Stationen bei der „Herkuleskeule“ in Dresden, der „Zange“ in Magdeburg und bei den „Kugelblitzen“ sowie der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.  Seit 14 Jahren ist Marion Bach an seiner Seite. Auch sie ist kein unbeschriebenes kabarettistisches Blatt. Nach dem Gesangsstudium hatte sie zunächst Engagements als Sängerin und Schauspielerin am Südthüringischen Staatstheater Meiningen und am Stadttheater in St. Pölten. Seit 1992 macht sie Kabarett, u.a. bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, bevor sie 2005 zur Magdeburger Zwickmühle kam. 

Bach und Pölitz spielten sich unentwegt die Bälle zu: Ob Panzer mit E-Motor, Räuchermänner mit Rußpartikelfilter oder VW-Rikschas, die im Kommen sind. Es war immer wieder verblüffend, wie sie völlig entspannt auf der Bühne stehen und quasi nebenbei Geschichten erzählen, als ob sie ihnen gerade erst eingefallen wären. Mit „Atemlos durch die Schicht“ musikalisch fabelhaft inszeniert, machten sie auf den Pflegenotstand aufmerksam und ernteten dafür viel Applaus und Zustimmung. Besonders gefiel dem Publikum, als Pölitz über die Handysucht lästerte und den Erlkönig kurzerhand zum „Url-König“ machte: „Der Akku hat noch 100 %, doch der User ist tot.“ Einfach brillant. Messerscharf und ein kleines bisschen böse wurden die Themen des Lebens auf ungewöhnliche Art und Weise seziert. Es wurde mit Wortwitz und feiner Ironie bis hin zu bissigem Sarkasmus jongliert. Mit ihrer selbstironischen Art kamen Marion Bach und Hans-Günther Pölitz bei den Zuschauern sehr gut an. Sie bedankten sich mit lang anhaltendem Applaus für einen heiteren, unterhaltsamen Abend. Merke: Nur wo Magdeburger Zwickmühle draufsteht, ist auch politisches Kabarett drin.

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