FORMFEHLER – Sicherungsverwahrung für 53-Jährigen aus Ober-Mörlen nach Revision Thema in Gießen
Ober-Mörlen/Gießen (jwn). Wegen eines Formfehlers muss der Fall eines Sexualstraftäters aus Ober-Mörlen noch einmal vor der Jugendkammer des Gießener Landgerichts neu aufgerollt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) angeordnet, nachdem der Angeklagte gegen das ursprüngliche Urteil des Landgerichts Revision eingelegt hatte.
Der BGH hatte aber nicht das ganze Urteil gegen den heute 53-Jährigen wegen 21-fachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie des Besitzes von kinderpornographischen Videos in fünf Fällen kassiert, sondern nur einen Teil und zwar die anschließende Sicherungsverwahrung. Das Gießener Gericht hatte den Angeklagten 2016 zu acht Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Und nur Letzteres hat der BGH beanstandet, weil das Gericht in seinem Urteil nicht ausreichend begründet hatte, aufgrund welcher Vorschrift es den Angeklagten für dauerhaft allgemein gefährlich einstufte. Es fehle die Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das Gericht oder besser die Offenlegung seiner Überlegungen, warum es von einer konkreten Rückfallgefahr bei dem Angeklagten ausgeht. Das Revisionsurteil sagt nicht, dass die anschließende Sicherungsverwahrung nach Absitzen der acht Jahre Haft, die der BGH nicht beanstandete, generell nicht möglich sei. Nur müsse sie dann rechtlich einwandfrei begründet werden.
Bei dem heute 53-Jährigen handelt es sich nicht um ein Unschuldslamm, denn 2002 war er schon einmal zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe wegen Unzucht mit Kindern in acht Fällen verurteilt worden. Seiner 15 Jahre jüngeren Ehefrau hatte er damals gesagt, dass es sich um einen Justizirrtum handeln würde und er die Taten auf Anraten seines Rechtsanwaltes nur zugegeben habe, um Milde vom Gericht zu erlangen. Anderenfalls hätten ihm zehn Jahre Haft gedroht. Gemeinsam vertuschten sie vor Verwandten den wahren Grund und gaben stattdessen Steuerschulden an.
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, sah sich der Angeklagte direkt nach dem nächsten Opfer um. Das fand er in Person einer 18-Jährigen, mit der er anschließend pornographische Filme in Richtung „sado-maso“ mit Schlägen und Gewaltanwendung drehte. Zu der Zeit hatte er als Cutter beim Fernsehen gearbeitet und große Kontakte vorgetäuscht.
och offensichtlich war die junge Frau für ihn schon zu alt, oder ihr gefielen die Spiele nicht, jedenfalls wandte er sich ab 2010 den Halbgeschwistern seiner Ehefrau zu. Die waren zu dem Zeitpunkt sechs (das Mädchen) und acht (der Junge) Jahre alt. Viereinhalb Stunden dauerte die Verlesung der Schandtaten mit den Kindern, und auch wenn sie nach Angaben des Angeklagten angeblich beide freiwillig mitgemacht haben sollen, so zweifelt das Gericht dies an. Als Beweis führt es die vielen Fotodateien und Videoclips an, in denen den Kindern klare Befehle zum Ausziehen, zu den Sexspielen und Manipulationen gegeben wurden. Der Angeklagte machte von all dem Fotos und Videos, wobei er aber sorgsam darauf achtete, nicht selbst abgelichtet zu werden.
Auf die Spur ist ihm das Bundeskriminalamt (BKA) aufgrund sorgfältiger Recherche und einem Quäntchen Glück gekommen. In Berlin hatten sie einen Mann ausfindig gemacht, der über eine schwedische Plattform im Internet mit kinderpornographische Fotos Geschäfte machte. Unter anderem auch mit einem Unbekannten in Ober-Mörlen. Nach einigen Abhöraktionen und polizeilichen Vernehmungen stellte sich aber heraus, dass nicht er der Gesuchte war, sondern sein Nachbar, der ihm das WLAN installiert und so seinen Eingangscode erfahren hatte.
Als das BKA bei dem Richtigen dann an der Haustür klingelte, war der über seinen Chatroom im Internet vorgewarnt worden und hatte alle Dateien auf seinen Computer mit einem speziellen Programm gelöscht. Allerdings hatte er dabei doch noch eine Fährte übersehen. Das BKA konnte ihm nämlich nachweisen, dass er zwei Tage vor der Durchsuchung fünf USB-Sticks an seinem Computer neu geladen hatte. Es folgte Routine und wenig später holten die Beamten die fünf USB-Sticks aus dem gut verkleideten Bettpfosten in seinem Schlafzimmer.
Als die Ehefrau von den neuerlichen Vorfällen hörte und dabei begriff, dass sie von ihrem Mann erneut getäuscht worden sei, ließ sie sich sofort scheiden. Ihre beiden Halbgeschwister hüllen sich derweil in Schweigen. Sie haben im ersten Prozess nicht ausgesagt und stehen auch im laufenden Prozess nicht zur Verfügung. Sie hätten sich aber seither spürbar verändert, berichtet ihre Mutter, jetzt wo sie den Grund kennt.
Der Prozess wird am heutigen Mittwoch um 9.00 Uhr am Landgericht Gießen fortgesetzt.