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Mit Beschlagnahmen fing alles an

FÜHRUNG — Schrenzerschüler arbeiten umfangreich über die Siedlungsgeschichte des Degerfelds

BUTZBACH (pd). „Dass  einmal so viele Amerikaner in Butzbach waren, das hat uns doch überrascht“, stellten die Schüler zweier Projektgruppen der IGS Schrenzerschule nach einer Ortsbegehung im Degerfeld erstaunt fest.  Sie hatten sich jüngst unter der  sachkundigen Führung von  Ulrike von Vormann mit ihren Lehrern Kim Voigt-Hilberger, Sebastian Himmel und Projektleiter Michael Schröter auf Spurensuche in die ehemalige „Housing Area“ begeben. 

Zunächst ging von Vormann auf die Besatzungszeit nach 1945 in Butzbach ein, als Häuser für Army-Angehörige beschlagnahmt wurden, vorzugsweise Häuser und Wohnungen mit Zentral-Heizungen und Bad. Die Bürger, die ihre Häuser verlassen mussten, durften keine Möbel, Teppiche und Elektro-Geräte mitnehmen. Und obwohl nur die Häuser beschlagnahmt wurden, durften die vertriebenen Besitzer ihre Gärten, die zu diesen Zeiten für den Gemüse-Anbau ideal waren, nicht betreten. 

Amerikaner lebten komfortabel, deutsche Familien drängten sich jedoch unter Dächern oder bei Freunden und Verwandten. Durch die im Krieg zerstörten Häuser und die aus dem Osten geflohenen Deutschen war die Wohnungsnot in Butzbach doppelt groß. Auch vier Jahre nach Kriegsende waren noch 64 Häuser in Händen der Amerikaner; die letzten Häuser wurden 1955 frei gegeben. 

Da in den beiden Kasernen (Ayerskaserne und Schlosskaserne) mehr als 4000 amerikanische Soldaten stationiert waren, wurde es dringend notwendig, für diese mit ihren Familienangehörigen ausreichend Wohnraum zu schaffen. Deshalb wurden ab 1953 auf einer beschlagnahmten 900 Hektar großen Acker- und  Waldfläche im Nordwesten Butzbachs, dem Degerfeld, über 700 Wohnungen, das „Roman Way Village“, errichtet.

Eine eigene Infrastruktur für das „Village“ war auch deshalb notwendig, weil zu den stationierten Soldaten noch über 3000 Familienangehörige nach Butzbach gekommen waren. So befand sich hinter dem Sportplatz ein Jugendzentrum AYA, und mit der „Shopette“ ein amerikanischen Laden für alles, was man in der PX vergessen hatte.  Dort befand sich auch jahrelang eine Niederlassung der Pizza-Mouse in einer kleinen Wellblechbude – eine wahre Marktlücke in diesem Gebiet. Gegenüber der AYA und Shopette gab es eine Kindertagesstätte für Vorschul-Kinder und auch Kinder mit Entwicklungsproblemen.

Darüber hinaus hatte die Siedlung eine große eigene Grundschule, die „Elementary School“ mit Sporthalle und Theaterbühne, mehrere große Spiel- und Grillplätze sowie ein eigenes kleines Krankenhaus. Für die „kulinarische Nahversorgung“ hatte man zur Freude der Amerikaner kurzzeitig auch eine Wurstbude in einem deutschen Vorgarten aufgestellt, und „Röseler’s Büdchen“ am Aspenweg war neben seinem Getränke-Home-Service auch ein beliebter Treffpunkt für US-Angehörige und deutsche Anwohner. Von dieser Infrastruktur ist nach dem Abzug der Amerikaner 2007 nahezu nichts mehr übrig geblieben.

Andererseits sind, so von Vormann, in dieser mehr als 60-jährigen Anwesenheit der Amerikaner auch viele positive Bindungen entstanden: nicht nur durch die Heiraten amerikanischer Soldaten mit deutschen Frauen, sondern auch durch praktische Hilfen wie der Versorgung mit Trinkwasser in Notstandszeiten, der Hilfe bei Baumaßnahmen mit schwerem Militärgerät, der Unterstützung von Kinderheimen oder dem viele Jahre lang gefeierten deutsch-amerikanischen Freundschaftsfest auf dem Gelände unterhalb des Heizhauses. Aus Besatzern wurden über die lange Zeit auch Freunde, auch wenn die Amerikaner in ihrem „Roman Way Village“ und in ihren Kasernen ihr eigenes Leben und ihre eigene Kultur pflegten, aufgrund des militärischen Status  auch pflegen mussten.

Die gesammelten Eindrücke
werden die Schüler der Butzbacher Gesamtschule in einer Bilderausstellung und anderen Präsentationen zur Geschichte des Degerfeldes von den Römern bis heute am 24. Mai um 18.00 Uhr im Treffpunkt Degerfeld der Butzbacher Bevölkerung vorstellen. „Wir waren auf Spurensuche in diesem Stadtteil bei Menschen, aber auch historischen Funden“, so Projektleiter Schröter zum Konzept, „und wollten herausfinden, inwieweit die Siedlungsgeschichte und die verbliebenen ‚Kulturschätze’ für die heutige Bevölkerung identitätsstiftend zu ihrem Degerfeld sein könnten.“

Der Beitrag verfällt zur festgelegten VERFALLSZEIT am VERFALLSDATUM.

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