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Musik zum Trost und zur Zerstreuung

BUTZBACH. „Zur Wirkung von Musik“ sprach Professor Dr. Franz Josef Wetz im vorerst letzten Vortrag der gleichnamigen Veranstaltungsreihe in Butzbach. Fotos: Braunewell

Professor Dr. Franz Josef Wetz referiert in Veranstaltungsreihe von dasgute.haus und Stiftung Kultur

BUTZBACH (pi). Am Himmelfahrtstag fand im Butzbacher Museum die letzte Veranstaltung der Vortragsreihe „Zur Wirkung von Musik“ statt, dieses Mal mit dem Philosophieprofessor Dr. Franz Josef Wetz, der am Weidiggymnasium das Abitur abgelegt hat. 

Lothar Jung, Geschäftsführer der „Stiftung Kultur und politisches Bewusstsein“, dankte den Mitveranstalterinnen Dr. Agnes Model und Stefanie Krause von dasgute.haus und begrüßte die zahlreichen Anwesenden, darunter die Referenten der beiden vorherigen Veranstaltungen, Otto Wanke und Professor Bernhard Wetz. Er blickte kurz auf die gesamte Reihe zurück und stellte Franz Josef Wetz als sehr produktiven Autor mit beeindruckender Belesenheit und einem enormen Kenntnisreichtum vor. 

Wetz spannte einen großen Bogen über die Geschichte der Auffassungen zum Wesen der Musik von der Antike über das Mittelalter und die Romantik bis zur Gegenwart. Wie die in der Frühzeit vorherrschende Ablehnung als (zu disziplinierende) sinnliche, politische oder gar teuflische Verführungsmacht ihren Weg fand zur Wirkung als Entlastung, Zerstreuung und eben zum Trost, belegte er ebenso mit einschlägigen Zitaten von Philosophen und Musikschaffenden wie den Weg von der vokal gebundenen Musik zur heute weitgehend dominierenden Instrumentalmusik.   

Einer Überlastung der Musik mit konkreten Inhalten trat Wetz entgegen: Sie habe keinen begrifflichen Gehalt, weder als historische Erzählung noch als Darstellung des Göttlichen noch als sittliches oder welt-anschauliches Programm. Sie wirke aufgrund ihrer sinnlich wahrnehmbaren „tönend bewegten Form“ (nach dem Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick), nur diese verleihe ihr Ausdruckskraft.  Alles andere sei nicht in der Musik enthalten, gelange nur durch Zuschreibung und die Weitergabe der Assoziationen in der Überlieferung hinein. 

Dass dieselben Stücke so unterschiedlich gehört und bewertet werden, zeige gerade die Subjektivität des Geschmacks aufgrund der Gewöhnung. Eindrucksvoll waren auch die anekdotischen Einsprengsel von Wetz, darunter die Beschreibung eines Selbstversuchs vor vielen Jahren: Türkische Musik, ihm bis dahin nicht nur unbekannt, sondern „als störend oft empfunden, weil stets mit Geräusch verbunden“ (Wilhelm Busch), wurde nach mehreren Wochen des bewussten täglichen Hörens zunehmend vertraut und gefiel ihm am Ende sogar. Eine Wirkung, die die Musikwissenschaftlerin Wald-Fuhrmann in der ersten Veranstaltung der Reihe beschrieben hatte als „mere-exposure-Effekt“, als bloßes Ausgesetztsein, das zur geschmacksmäßigen Aneignung führen kann. 

Nicht einmal Gefühle vermag Musik direkt abzubilden – denn auch sie sind subjektiv –, nur deren Bewegungen und Stärken. Ihr Trost ist also viel mehr ihrem unspezifischen Ausdruck als einem konkreten Inhalt, einer Botschaft oder einer Wahrheit zu verdanken. Trotzdem kann sie nicht nur ein spielerisches Vergnügen auslösen, sondern auch Erleichterung, Besänftigung oder Belebung.

Bei aller Fähigkeit zum Trost und zum Zuspruch gilt aber auch die Ansicht von Schopenhauer: Musik erlöst nicht, sondern beschwichtigt für wenige Momente. Nicht obwohl, sondern gerade weil die Wirkung vergänglich ist, kann sie eine große Intensität annehmen. 

Trotzdem sollte nach Wetz auch der Anspruch an die tröstende Wirkung der Musik nicht überzogen werden: „Musik macht keine überschwänglichen Sinnzusagen. Sie tröstet zwar, aber vertröstet nicht: Sie ist ein Zuspruch ohne Versprechen!“ 

In der anschließenden Gesprächsrunde gab es zum Thema „Trost“ vorwiegend unterstützende, teils persönlich vertiefende Beiträge. Dabei seien auch viele Frage offen geblieben, die zum Weiterdenken und Weiterhören anregten. 

Ein wenig Widerspruch zeigte sich bei der Reduktion der Wirkung auf die reine Form als Verursacherin – seien es doch Jahrhunderte alte musikalische Motive und Wendungen, denen etwas mehr innewohnen könnte als nur die Gestalt, also auch ein Gehalt. Eine Lösung könnte darin bestehen, dass die musikalischen Motive an sich willkürlich sind, also grundsätzlich ausgetauscht werden könnten für denselben Ausdruck, dass aber die lange Weitergabe in der Tradition und der stetige Bezug auf frühere Weisen des Spielens und Hörens den Eindruck von inhaltlicher Bedeutung erweckten. 

In der Rückschau auf die vierteilige Reihe zeigten sich Model von dasgute.haus und Jung von der Stiftung hoch zufrieden über den jedes Mal sehr guten Besuch, für den sie sich bei allen Anwesenden bedanken, und die größtenteils positiven Rückmeldungen. Vermutlich wird die Reihe erst im ersten Halbjahr 2024 fortgesetzt, und dann etwas verändert, nämlich mit mehr Musik und etwas weniger Theorie. Trotzdem wird es wieder auch um das Verstehen gehen, nicht nur um das Hören. 

Kommende und bereits laufende Programme sind zu finden unter www.dasgute.haus und www.stiftung-kupb.de. 

BUTZBACH. Die Besucher der Veranstaltung der Stiftung Kultur und politisches Bewusstsein und von dasgute.haus diskutierten nach dem Vortrag mit Professor Dr. Franz Josef Wetz.

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