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Nichts ist dort selbstverständlich

BUTZBACH. Carmen Stengel sind die Inselbewohner von Boa Vista ans Herz gewachsen. Foto: win

ENGAGEMENT – Carmen Stengel ist Vorsitzende des Verein „Help for Boa Vista“ und stellt Projekt vor

BUTZBACH (win). Als Carmen Stengel im Jahr 2013 zum ersten Mal nach langer schwerer Krankheit mit ihrem Mann Andreas die Urlaubsreise Richtung Kapverden antrat, ahnte sie noch nicht, dass die kleine Insel Boa Vista einmal ihr Schicksal, die Reise zur Mission werden sollte. Von der Herzlichkeit der Inselbewohner angetan, schaute sie genauer hin, wie diese Menschen dort leben und welche Perspektiven sie haben. Und stellte schnell fest: „Im Grunde fehlt es an allem, was für uns selbstverständlich ist; zum Beispiel an medizinischer Versorgung und vor allem auch an Bildungsmöglichkeiten für die Kinder.“ Während ihrer Zeit auf der Insel kam ein Mann auf sie zu und fragte nach Wasser. Dass es in unserer reichen Welt Menschen gebe, die Durst haben müssen, habe sie sehr erstaunt und peinlich berührt, sagt die 50-Jährige. Sie schenkte ihm eine Flasche Wasser, und er schenkte ihr zum Dank eine Schildkröte, die er aus einer Muschel gemacht hatte. Das war der Auslöser für die Gründung ihres Vereins Help for Boa Vista / Ajuda para Boa Vista. Es war einfach sofort klar: „Hier musst du helfen!“, erinnert sie sich.

Carmen und Andreas Stengel haben den gemeinnützigen Verein im September 2017 gegründet, um die Bevölkerung in Boa Vista mit Sach- und Geldspenden zu unterstützen. Boa Vista ist die drittgrößte der zehn Kapverdischen Inseln im östlichen Zentralatlantik. Auf einer Fläche von 620 Quadratkilometer leben 21 000 Einwohner. Die offizielle Amtssprache ist Portugiesisch. Seit ein paar Jahren ist das Kreol als weitere Amtssprache anerkannt. Die Bevölkerung auf Boa Vista hat in manchen Dörfern weder Strom noch fließendes Wasser. 2016 hat es im ganzen Jahr nur sechs Stunden geregnet. Ohne Wasser keine Landwirtschaft, ohne Landwirtschaft keine Produktion von Lebensmitteln. So muss alles mit Schiffen eingeführt werden. Für die Menschen auf Boa Vista sind die eingeführten Waren fast unerschwinglich. 

Viele Eltern können sich das Schulgeld und die Schuluniformen für ihre Kinder nicht leisten. „Mit 30 bis 40 Euro pro Kind kann man für eine Schulausstattung sorgen, die bei der „Finalista“-Feier für die Schulanfänger übergeben wird“, berichtet Carmen Stengel. Unermüdlich setzt sich die erste Vorsitzende des Vereins für ihre Schützlinge ein. „Ich stelle Anträge bei Behörden, organisiere Benefizveranstaltungen, telefoniere mit Schulen, sammele Spenden, wasche, packe, wiege, messe, erstelle Packliste für den Zoll in Englisch und Portugiesisch.“ Aber Stengel nimmt sie jede Hürde. Portugiesisch hat sie sich mit Unterstützung eines brasilianischen Mitgliedes mal eben selbst beigebracht.

Was muss sich ändern

Es ist notwendig, in die allgemeine und berufliche Bildung junger Menschen, die Verbesserung der Wohnverhältnisse und die sanitäre Grundversorgung zu investieren. Boa Vista hat viele soziale Probleme. Der Verein hilft in Bezug auf Gesundheit und Bildung, zum Beispiel indem er unter anderem Ausrüstung, Möbel, Lehrmaterialien und andere Hilfsmittel zur Verfügung stellt, die der Bevölkerung im Allgemeinen helfen. Zurzeit arbeiten die Vereinsmitglieder daran, noch mehr gebrauchte Schulmöbel – wie kürzlich aus Hoch-Weisel – zu bekommen und sammeln Geld, um einen Anbau für die Escola Nova in Sal Rei finanzieren zu können. 385 Kinder gehen dort zur Schule. Es fehlen mindestens vier Klassenräume, um die vielen neuen Erstklässler (Finalistas) unterbringen zu können. Benötigt werden 15 000 Euro pro Klassenraum. Durch einen Spendenaufruf wurden bisher 2000 Euro gesammelt. Es sind aber auch ganz einfache Dinge, die gebraucht werden; zum Beispiel Sonnensegel und Zelte. 

In diesem Jahr werden für die 269 Finalistas neben Schulranzen auch Schuluniformen gebraucht –  „Hemdchen“, die fünf Jahre lang in der Grundschule getragen werden und die von einer Tante von Vereinsmitglied Mika mit Hingabe selbst genäht werden. In der Hauptstadt Sal Rei gibt es eine weiterführende Schule, die von 999 Kindern besucht wird. Einige, die dorthin gehen, haben ein Stipendium von Portugal oder vom Ministerium für Bildung erhalten. 

Die Inselbewohner leben vom Fischfang und vom Tourismus. Es gibt nur eine gepflasterte Straße die, die Dörfer im Norden mit denen in Süden verbindet, drei große Hotels, viele kleine Pensionen, und einige Geschäfte. Immerhin. 

Ein großes Thema ist das fehlende Wasser. Es gibt auf der Lavainsel kein Grundwasser und kein fließendes Wasser. Es ist nicht möglich, einen Brunnen zu bohren. Müll, der unter freiem Himmel verbrannt wird, ist ebenfalls ein riesiges Problem. 

Medizinische Versorgung 

Auch bei der medizinischen Versorgung gibt es viele Defizite. „Das Krankenhaus entspricht eher einer Notaufnahme“, berichtet Stengel, die mit Hilfe ihres Vereins inzwischen Geräte für EKG, CTG und zwei Ultraschallgeräte sowie einen Defibrillator dorthin gebracht hat. Zurzeit bemüht sich der Verein, einen „ausgemusterten“ Krankenwagen zu bekommen. 

Aufgrund der Mangelversorgung gibt es auf Boa Vista viele behinderte Kinder, die ohne die bei uns selbstverständlichen Hilfsmittel auskommen müssen. „Im Moment werden ganz dringend Kinder-Rollstühle gebraucht“, sagt Stengel. Gebraucht werden aber auch Sachspenden wie zum Beispiel Turnschuhe, Fußballschuhe, Schulmaterial, Ranzen, Rucksäcke, Stifte, Fahrräder, Roller, Laufräder, Bobbycars und vieles mehr. Flugpaten überbringen auf ihren Reisen nach Boa Vista den kleinen Bedarf, der vor Ort vom Ministerium für Bildung und von der „Verteil-Fee“ Birte in Empfang genommen wird. Sie ist Mitglied im Verein und lebt seit 15 Jahren auf Boa Vista.

Der Verein zählt 45 Mitglieder, eine Mitgliedschaft im Verein kostet 40 Euro im Jahr. Für finanzielle Unterstützung hat der Verein ein Spendenkonto eingerichtet: IBAN: DE09 5185 0079 0027 1610 73, Sparkasse Oberhessen. Mehr Infos auf der Homepage des Vereins unter www.help-for-boavista.com, telefonisch unter 06033/796618 oder per Mail unter info@help-for-boavista.com.

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