Oberkleener muss sich wegen Kindeswohlgefährdung verantworten

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Oberkleener muss sich wegen Kindeswohlgefährdung verantworten

Fünf Wochen altes Kind mit Kopfverletzung in Klinik eingeliefert / Alle Vorwürfe in Gesprächen bestritten

OBERKLEEN/GIESSEN (wiß). „Für mich ist es eine große Tragödie. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass er unseren Sohn misshandelt hat. Er war stets ein liebevoller und aufgeschlossener Vater und ist stets liebevoll mit unseren Kindern umgegangen. Es ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Wissen kann ich es natürlich nicht.“ Die 28-jährige Mutter, die mittlerweile getrennt vom Vater ihrer Kinder lebt, kann sich bis heute nicht erklären, was seit Mittwoch vor einem Schöffengericht unter Vorsitz des Vizepräsidenten des Gießener Amtsgerichts, Dr. Dietrich Claus Becker, verhandelt wird. 

Dem heute in Braunfels lebenden Mann wird vorgeworfen, seinen fünf Wochen alten Sohn am 12. Juni 2017 in der Wohnung in Oberkleen misshandelt und in Gefahr des Todes gebracht zu haben. Staatsanwalt Mike Hahn sprach bei der Verlesung der Klageschrift von „einer Kurzschlusshandlung aufgrund Überforderung“ bei der Betreuung der drei Kinder, darunter der Sohn und seine Zwillingsschwester. Bei den Zwillingen  handelte es sich um in der 30. Schwangerschaftswoche geborene Frühchen. Bei der Einlieferung ins Gießener Uniklinikum litt das Baby unter Atemnot und einem reduzierten Allgemeinzustand. Eine MRT-Untersuchung erbrachte „ausgedehnte Einblutungen beidseits im Scheitel-Hinterhauptbereich sowie geringe Einblutungen frontal und rechts im Schläfenbereich“. 

Aufgrund dieses Vorfalls sind die Zwillinge und ihre eineinhalbjährige Schwester seit dem 30. Juni 2017 in verschiedenen Pflegefamilien untergebracht. Die Inobhutnahme durch das Jugendamt erfolgte im Einvernehmen mit den Eltern, „weil wir das Beste für unsere Kinder wollten“, wie die Mutter schilderte. Dem Vater wurde ein Kontaktverbot auferlegt. Er hat seither seine Kinder nicht mehr gesehen. 

Das Gericht hat noch zwei Fortsetzungstermine im Dezember terminiert. „Der Angeklagte wird sich schweigend verteidigen“, teilte sein Verteidiger Karsten Marx mit. 

Beide Eheleute leiden unter dem Borderline-Syndrome und der Angeklagte unter einem Gendefekt, hatte auch epileptische Anfälle und neigte bis zur Schwangerschaft zum regelmäßigen Kiffen. Wie die Hebamme berichtete, hatte der Vater sie und auch den Notarzt um 18 Uhr gerufen. Die Mutter der Zwillinge war mit ihrer Mutter zu einem Arztbesuch in Butzbach, als sie von der Einlieferung ihres Babys in die Kinderklinik erfuhr.

Über den Verdacht seien die Eltern in einem Gespräch von den Ärzten informiert worden, woraufhin von ihnen das Jugendamt informiert wurde. Die Vertreterin des Jugendamts bestätigte die Zusammenarbeit der Eltern bei der Inobhutnahme, während die Kinderkrankenschwester und Heilpädagogin bei ihrer Befragung den Eltern eine Überforderungssituation attestierte. Das Gespräch in der Klinik sei „ein sehr klares, intensives und belastendes Gespräch“ gewesen, in dem die Eltern alle Vorwürfe bestritten hätten. 

Die Aussage der Kinderkrankenschwester vor Gericht stand konträr zu jener bei der Polizeibefragung, wo sie noch angegeben hatte, dass der Vater die ältere Tochter gekonnt versorgte. Die unterschiedlichen Aussagen führte sie auf das sehr weit zurückliegende Ereignis zurück. Dass die Eltern nach anderen Ursachen suchten, sei bereits direkt nach dem Gespräch in der Klinik der Fall gewesen. Ihren Sohn schilderte die Mutter als „ein sehr fröhliches, aufgeschlossenes Kind, das Defizite beim Sprechen hat“. Er ist Asthmatiker. Die ältere Tochter habe einen offenen Gaumen und bei ihrer Geburt einen Schlaganfall erlitten, so dass die Eltern auch nach genetischen Ursachen suchten. 

„Mit Zwillingen war man erschöpft und müde, deshalb haben wir uns ja auch mit der Betreuung abgewechselt. Er hat eine Mammutaufgabe gestemmt“, schilderte die Mutter die psychischen Probleme des Vaters. „Ich bin bis heute der Meinung, dass er nichts gemacht hat. Er hat mir nie das Gefühl für einen Vorfall gegeben“, schilderte sie. 

Als Erklärungsversuche wurden die Ur-Großmutter genannt, die noch nie ein Frühchen in den Händen gehalten hatte und am Vortag dem Kind das Fläschchen gegeben habe, wobei das Köpfchen nach hinten gefallen sei. Auch könnte sich ihr Baby die Verletzungen erst in der Klinik zugezogen haben, hatte sie dieses doch im Brutkasten am Glas gedrückt vorgefunden und davon auch Aufnahmen gemacht. 

Eine Hebamme aus Niederkleen schilderte den Vater als ruhig. „Ich hatte den Eindruck, dass sich der Vater mehr als die Mutter um die Kinder kümmert. Die Mutter war zu dieser Zeit auch viel wegen ihrer erkrankten Mutter unterwegs. Im Umgang mit den Kindern war der Vater nicht auffällig, hat die Kinder gewickelt und gefüttert“. 

Am besagten Tag habe der Vater sie angerufen und geschildert, dass sein Sohn jammere und komisch atme. Bei ihrem Eintreffen habe der Vater seinen Sohn stimuliert und er atmete wieder. 

Der Beitrag verfällt zur festgelegten VERFALLSZEIT am VERFALLSDATUM.

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