Rätselhafte Schriften auf Wendelinaltar

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Rätselhafte Schriften auf Wendelinaltar

BUTZBACH. Das Foto zeigt den spätgotischen Wendelinaltar (um 1520) Foto: bidmon

Günter Bidmon beschäftigt sich in einer BZ-Serie mit historischen Butzbacher Besonderheiten – Teil 1

BUTZBACH (bi). In der Butzbacher Wendelinkapelle, der einstigen Hospitalkirche aus den Jahren 1440 und 1508, befindet sich ein spätgotischer Flügelaltar, der dem Heiligen Wendelin geweiht ist. Den Mittelteil dominiert eine Pieta und darunter ein Relief mit dem Begräbniswunder des Heiligen Wendelin. In den vier Seitennischen steht jeweils ein männlicher Heiliger; es dürfte sich um den Evangelisten Markus, darunter um Johannes den Täufer, den Pestheiligen Rochus von Montpellier und den Evangelisten Johannes handeln. 

Die Altarflügel sind mit je drei Einzelbildern bemalt, wobei die vier großen Bilder in insgesamt acht Szenen das Pilgerleben des Heiligen Wendelin vor seinem Eintritt in das Kloster Tholey schildern. Von den überhöhten seitlichen Feldern schaut je eine Person in „Brustbild“ auf die Betrachter herab: links ein bärtiger Alter mit Krone und Zipfelmütze, rechts ein junger Mann mit einem geknoteten Tuch auf dem Hinterkopf. Beide Männer halten ein Spruchband mit aufgemalten Großbuchstaben in ihren Händen. 

Auf dem Foto ist der jüngere „Prophet“ mit Spruchband zu sehen. 
Fotos: bidmon

Auf dem linken Spruchband finden sich die Buchstaben: X E A Z P B; auf dem rechten die Buchstaben: G T e N D V. Beide Buchstabenfolgen ergeben keinen sinnvollen Text; sie werden im Schrifttum daher als „pseudohebräische Inschriften“ oder als „sinnlose Zusammenstellung von Buchstaben“ bezeichnet. 

Weiterhin gibt auf dem unteren Gemälde des rechten Altarflügels eine dritte Inschrift ein zusätzliches Rätsel auf. Das Bild zeigt eine junge Frau, aus deren Mund ein kleines schwarzes Teufelchen ausfährt: wohl eine Teufelsaustreibung durch den frommen Pilger Wendelin. Auf dem Brustband der Frau sind die Buchstaben A ? V O zu lesen. Auch sie ergeben keinen Sinn; außerdem muss festgestellt werden, dass der Buchstabe „?“ spiegelverkehrt gemalt ist. 

Strittig war auch, ob es sich um Hebräische, Griechische oder Lateinische Buchstaben handelt. Hebräisch scheidet auf jeden Fall aus. Das „X“ in X E A Z P B des linken Schriftbandes spricht vielleicht für etwas Griechisches. Dann wäre das Griechische „P“ ein Lateinisches „R“. 

Da es im Griechischen aber die Lettern „G“ und „D“ nicht gibt, müsste es sich folglich um Lateinische Buchstaben handeln. Aber dann hat sich im rechten Schriftband ein Griechisches „Z“ und ein kleines Griechisches „e“ zwischen die Lateinischen Großbuchstaben geschmuggelt, obwohl doch im linken Spruchband das übliche Lateinische „E“ verwendet ist. Welchem Alphabet entstammen nun die Buchstaben? 

Sinnlose Buchstabenfolgen

Da nicht anzunehmen ist, dass die Butzbacher Kugelherren, die den Altar um 1520 in Auftrag gegeben haben, „sinnlose Buchstaben“ bestellten, dachten manche Forscher folglich an „Abkürzungen“, wie man sie zum Beispiel von der Kanzel (1617) in der Markuskirche kennt: Dort stehen die Majuskeln V T D M D für die Psalmworte „Vias Tuas Doce Me, Domine !“ („Deine Wege lehre mich, HERR !“) und P L Z H für den Titel des Stifters „Philipp, Landgraf Zu Hessen“. Aber alle Versuche, den entsprechenden Text zu den Abkürzungen auf dem Wendelinaltar zu finden, scheiterten bisher. 

Gleichwohl ist das Urteil „sinnlose Buchstabenfolgen“ nicht völlig von der Hand zu weisen: Denn überrascht stellt man zum Beispiel auf dem berühmten Gemälde „Bildnis der Elsbeth Tucher“ (1499) fest, dass selbst der große Maler Albrecht Dürer eine „sinnlose Buchstabenreihe“ verewigt hat. Auf dem Haubenband der Gattin des reichen Nürnberger Patriziers Nikolaus Tucher lassen sich die („ungedeuteten“) Buchstaben M H M N S K entziffern – auf dem „alten“ 20-Mark-Schein besser zu erkennen als auf dem Gemälde, das heute das Museum in Kassel bereichert. Ihr Sinn und ihre Funktion sind bisher ebenfalls ungeklärt. Somit bleibt auch das „Rätsel von Butzbach“ weiterhin ungelöst.  

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