„Seid Sand, nicht Öl im Weltgetriebe“

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„Seid Sand, nicht Öl im Weltgetriebe“

Weidigschule verabschiedete 140 Abiturienten / Es gab 43 Einser-Abis

BUTZBACH (dt). „Schlaft nicht, / während die / Ordner der Welt / geschäftig sind! / Seid misstrauisch gegen ihre Macht, / die sie vorgeben / für euch erwerben zu müssen. / Wacht darüber, / dass eure Herzen nicht leer sind, / wenn mit der Leere eurer Herzen / gerechnet wird!  /  Tut das Unnütze, singt die Lieder, / die man aus eurem Mund / nicht erwartet!  /  Seid unbequem, / seid Sand, / nicht das Öl / im Getriebe der Welt!…“ Mit diesen letzten Zeilen aus dem Schlussgedicht des Lyrikers Günter Eich aus seinem Hörspiel „Träume“, in dem der Dichter seine Erlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg verarbeitete, verabschiedete Weidigschulleiterin Annette Pfannmüller am Freitag die diesjährigen 140 Abiturienten aus ihrer Schule.

Es waren wechselnde – mal fröhliche, mal nachdenkliche – Momente in der Abschiedsrede der Schulleiterin und in den Redebeiträgen in der knapp dreistündigen Veranstaltung rund um die Ausgabe der Abiturzeugnisse. Nach der musikalischen Eröffnung der Feierstunde durch die Abi-Band und Nico Stürmer und dem Grußwort von Dorothee Weckmann vom Elternbeirat wünschte sich Pfannmüller – bei aller auch herrschenden Wehmut infolge des Abschieds und des Eintritts in eine neue Lebensphase ihrer Kinder – „ohne Einschränkung stolze Eltern“. Sie unterstrich: „…diese jungen Menschen hier werden zunehmend ihre eigenen Entscheidungen treffen. Das werden nicht immer die richtigen sein – und auch das gehört zu den Privilegien der Jugend.“ 

Die Direktorin dankte allen Tutoren und Kollegen für die „Begleitung und Unterstützung“ der Absolventen, insbesondere in den letzten drei Jahren. Dabei galt ihr besonderer Dank Studienleiterin Barbara Plock. Danach wandte Pfannmüller sich mit dem Zitieren der obigen Worte Günter Eichs direkt an die Abiturienten. Es sei die Aufgabe junger Menschen, sich eben nicht anzupassen, sondern „aufzubegehren, sich einzumischen, laut zu sein“. Den Bildungsauftrag der Schule verstehe sie so, dass diese den ihr anvertrauten jungen Menschen nachdrücklich vermittele, sich einzumischen, wenn Unrecht geschehe, „dass ihr für das, was euch wichtig ist, kämpft und notfalls auch auf die Straße geht“. Genau dies hätten die Schüler zuletzt getan bei den Fridays-for-future-Demonstrationen. Ihre Lehrer seien dabei in ein Dilemma geraten, denn sie seien als Erwachsene „Teil des Systems“. Wenn sie sich an die Seite der Schüler stellten und sich öffentlich zum Schule schwänzen bekennen würden, würden sie sich gegenüber dem Dienstherrn angreifbar machen. Dies gehöre zu den Widersprüchen, die in einer immer komplexeren Welt ausgehalten werden müssten. 

Die Direktorin sprach die Abiturienten direkt an: „Mitten unter euch findet eine große politische Veränderung statt. Ihr bekämpft nicht die etablierten Politiker, ihr ignoriert sie einfach.“ Die deutsche Gesellschaft erlebe jetzt einen „massiven Umbruch in der Parteienlandschaft ohne Gewalt“.  Es werde in dieser komplizierten Welt immer schwieriger, die richtigen Entscheidungen zu treffen. In Deutschland gebe es aktuell 80 000 verschiedene Studiengänge. Zu viel Auswahl könne oft eher einschüchternd wirken als hilfreich. Pfannmüller gab den Rat: „Oft ist das Einfache auch das Richtige. Vertraut auf euer Gefühl und hört nicht auf Menschen, die euch einreden wollen, sie allein wüssten, was gut für euch ist. Das wisst nur ihr selbst. Jetzt habt ihr die Kraft und den Mut, nicht nur eure Träume zu verwirklichen, sondern auch ein Leben, das sinnvoll ist.“ Die Abiturienten hätten alle Voraussetzungen, um selbst den für sie richtigen Weg zu erkennen und zu gehen. 

Im Anschluss erfolgten – unter Leitung von Barbara Plock – die Zeugnisausgaben für die Tutorengruppen der Lehrkräfte Philipp Gries, Oliver Günther, Dr. Jana Hartmann und nach der Pause für die Tutorengruppen von Rainer Hufnagel, Rita Kohl, Matthias Lepper, Jürgen Schmidt und Brigitte Werchner. Sieben Abiturienten hatten ihre Prüfungen mit der Gesamtnote 1,0 abgeschlossen, zwei mit 1,1 und bei insgesamt 43 der 140 Abgänger stand die Note 1 vor dem Komma. Eingeschoben zwischen die Ausgabe der Zeugnisse wurden in zwei Blöcken die Verleihungen der Ehrenpreise für besondere Leistungen der Absolventinnen und Absolventen durch verschiedene Institutionen.

BUTZBACH. Mathematiklehrer und Tutor Rainer Hufnagel entließ seine Abiturienten mit einem Augenzwinkern: „Ich gehe mit euch in die neue Freiheit, meine sieht allerdings anders aus als eure.“ Der Mathematiker geht mit Beginn der Sommerferien in den verdienten Ruhestand.

Der Beitrag verfällt zur festgelegten VERFALLSZEIT am VERFALLSDATUM.

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