Zwei Köpfe der Demokratie und die Gewissensfrage zum staatlichen Terror

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Zwei Köpfe der Demokratie und die Gewissensfrage zum staatlichen Terror

BUTZBACH. Die Vertreter der Büchner-Bühne Riedstadt, künstlerischer Leiter Christian Suhr (l.) und Schauspieler Dimitri Eliseev, stellten im Butzbacher Museum unter anderem das Verhältnis von Friedrich Ludwig Weidig und Georg Büchner dar. Text + Foto: thg

Verein „Büchner findet statt“ zu Gast im Butzbacher Museum mit Szenen zu Weidig und Büchner 

BUTZBACH (thg). „Hoffen wir auf die Zeit“, ein Zitat von Georg Büchner, stellte Peter Brunner ans Ende des Mittwochabends im Butzbacher Museum. Der Leiter des Büchner-Hauses in Riedstadt führte durch die szenische Lesung „Wenn es Rosen sind, werden sie blühen“ – Georg Büchner und der Butzbacher Weidig-Kreis mit dem künstlerischen Leiter Christian Suhr und Schauspieler Dimitri Eliseev von der Büchner-Bühne in Riedstadt. 

Das Stück der Büchner-Bühne, aus dem Suhr und Eliseev Szenen zeigten, basiert auf dem Roman von Kasimir Edschmid „Wenn es Rosen sind, werden sie blühen“, den er in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb. Edschmid zeige Büchner und Friedrich Ludwig Weidig, den Butzbacher Freiheitskämpfer, auf gleichberechtigter Ebene, sagte Suhr. Den Autor habe die Frage beschäftigt, wie mit staatlichem Terror umzugehen sei. Dies sei für ihn eine Gewissensfrage gewesen, die er auf Büchner und Weidig übertragen habe. 

Brunner zeichnete Büchners Lebensweg nach, beginnend mit den Erfahrungen des Vaters als Arzt, bis hin zum Leben in Darmstadt an der Adresse „Markt 4“ mit Blick des junge Georg Büchner nach links auf das Schloss des absoluten Herrschers und Landgrafen und nach rechts auf die Innenstadt, einen regelrechten „Slum“ mit Hunger, Epidemien und Kriminalität. 

Einen Dialog Weidigs mit dem Landgrafen über Revolution, Menschenrechte und Verfassung trug Suhr vor. Das ernüchternde Ergebnis: Die Verfassung werde erlassen, aber nicht eingehalten. Denn die Mächtigen brächen ihre Versprechen, sobald ihre Macht bedroht sei. 

Brunner schilderte den jungen, 20-jährigen Büchner, Student der Medizin in Straßburg, als scharfen Analytiker der politischen Situation. In der wohl glücklichsten Zeit seines Lebens hält er dort feurige Reden gegen Aristokratie. Zurück in Darmstadt ist sein Reden über den Tyrannenmord indes lebensgefährlich. 

Büchner traf in Gießen August Becker aus Butzbach, der die Verbindung zu Weidig herstellte. 1832 kam er in die heutige Weidig-Stadt. Suhr und Eliseev stellten eindringlich dar, dass Büchner und Weidig einen Dissens ausfochten, unter anderem in der Ansprache der Adressaten in der Flugschrift „Hessischer Landbote“. Weidig setze auf Taktik, um die Bauern mit der ihr vertrauten Sprache der Bibel zu gewinnen und „die Reichen“ nicht pauschal auszuschließen. Büchner empfinde Weidigs Eingriffe als Widerspruch zu seinem Text. Da der Druck des Hessischen Landboten über Weidig lief, nahm er Veränderungen vor, sodass sich Büchner offenbar davon distanzierte. Aus Zürich schrieb Büchner, inzwischen Autor von „Dantons Tod“ an seinen Bruder Wilhelm Büchner, Apotheker in Butzbach: „Ich bin davon überzeugt, dass nichts zu tun ist“ gegen die Herrschaft. So bleibe nur, auf die Zeit zu hoffen. 

Museumsleiterin Dr. Maya Großmann freute sich darüber, dass es gelungen ist, den Vortrag im Museum zeigen zu können. Sie hob die Unterstützung der Kulturregion Frankfurt/Rhein-Main hervor. Projektleiterin Magdalena Zeller von der Kulturregion wies darauf hin, dass auch eine Förderung aus dem Projekt „100 Köpfe der Demokratie“, zu denen auch Weidig und Büchner gehören, erfolgte. 

Der Verein „Büchner findet statt“ ist die Verbindung von Büchner-Haus und Büchner-Bühne. Brunner, Suhr, Bürgermeister Michael Merle und Großmann nutzten die Pause der Veranstaltung, um  die Kontakte von Stadt und Kulturträgern zu vertiefen. So wünscht sich der Verein eine intensive Vernetzung der Wirkungsstätten der Büchners, von Butzbach bis Zürich, von Riedstadt bis Straßburg. Bezogen auf das „Reallabor Demokratikum“, das im kommenden Jahr ebenso stattfinden soll wie eine Festwoche zum Stadtjubiläum, soll ein Gedankenaustausch vereinbart werden, um entsprechende Programmpunkte zu veranstalten. Großmann sagte, aus museumspädagogischer Sicht bestehe bereits eine Vielzahl an Ideen. 

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